Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
kann, dann werden wir vier es sein.«
»Euer Gnaden«, sagte Taren und verbeugte sich vom Sessel aus vor ihr, »Ihr habt keine Ahnung, wie glücklich Ihr mich gemacht habt.«
Etwa einen Zehntag, nachdem sie Taren zum ersten Mal begegnet war, ging Maurynna zum Stall. Sie ging den Mittelgang entlang, bis sie zu Boreais Box kam. Sie beugte sich über die Boxentür und pfiff leise.
Boreal hob den Kopf, und Getreidekörner fielen ihm von den Lippen. Der Llysanyaner durchquerte seine geräumige Box und schnaubte Maurynna sanft an. Sein Atem war süß von Gras und Hafer. Maurynna streckte die Hand aus und bewegte die Finger. Er drückte ihr die Nase in die Handfläche, und sie rieb sie einen Augenblick lang, bevor er zu seinem Abendessen zurückkehrte. Sie stützte die Arme auf die Boxentür.
Sie betrachtete den Hengst beim Fressen, verloren in einem Wachtraum, und ließ sich von dem warmen Pferdeduft einhüllen. Ein Stall, entschied sie, war ein tröstlicher Ort. Beinahe so gut wie ein Schiff.
Schritte näherten sich. Ein Blick sagte ihr, daß es Raven war. Sie trat einen Schritt beiseite, um Platz zu machen, damit auch er sich auf die Tür lehnen konnte, und stützte das Kinn auf ihre verschränkten Finger. Ein weiterer Blick zur Seite ließ sie lächeln.
Denn Raven riß den Mund weit auf, während er den grauen Hengst anstarrte. Sie erinnerte sich, wie ihr zumute gewesen war, als sie Shan zum ersten Mal sah. Denn er war etwas aus einer Legende, aus einem Lied: ein Llysanyaner. Eines der Kinder des Windes, das Pferd eines Drachenlords.
»Ihr Götter, er ist so schön! Sieh ihn dir nur an! Und er gehört dir wirklich?« brachte Raven schließlich hervor.
Boreal hob bei dieser Bemerkung den Kopf. Er drehte sich so um, daß ein großes, dunkles Auge Raven ohne Blinzeln anstarrte.
»Man sollte lieber sagen, daß ich zu ihm gehöre«, sagte Maurynna. »Denn er hat mich auserwählt und nicht ich ihn.«
Boreal nickte. Mit einem großen Huf stampfte er, als wolle er das betonen. Der Stallboden bebte; wie alle von seiner Art hatte Boreal Beine wie junge Baumstämme.
Raven zog die Brauen hoch. Maurynna lachte, weil er dreinschaute wie ein getadeltes Kind.
»Ja, er hat es verstanden. Paß auf, was du über einen von ihnen sagst.«
»Das werde ich nicht vergessen. Ich bitte um Verzeihung«, sagte er zu Boreal.
Boreal legte den Kopf schief, als müsse er überlegen, dann nickte er abermals. Dann war er wieder ganz Pferd, steckte die Nase in die Futterkrippe und schnaubte in die Ecken, damit er auch die letzten Körner noch erwischte. Maurynna warf ihm einen Handkuß zu.
»Du hast doch Miki und Hillel schon gesehen, nicht wahr?« fragte sie und nannte Llelds und Jekkanadars Llysanyaner.
Aus dem Augenwinkel sah sie Raven nicken. »Das ist wahr, aber ich versuche immer noch, mir dich mit einem gewöhnlichen Pferd vorzustellen, gar nicht zu reden von einem Pferd wie ihm .«
Sie lachte und zog eine Grimasse, dann ließ sie das Kinn wieder auf die Hände sinken, damit sie Boreal weiter betrachten konnte.
Aus den anderen Ecken im weitläufigen Irrgarten des Stalls kamen die Geräusche, die Stallknechte bei der Arbeit machten; sie unterhielten sich miteinander oder sprachen mit ihren Schutzbefohlenen. Maurynna und Raven waren in dieser Reihe von Boxen allein. Sie unterhielten sich im Augenblick nicht, aber sie waren lange genug befreundet gewesen, daß sie nicht jeden Augenblick des Schweigens füllen mußten.
Maurynna war zufrieden. Es schien, als hätte Raven endlich akzeptiert, daß sie nicht mehr als Freunde waren. Sie hatte ihn in der letzten Zeit selten gesehen, denn er verbrachte den größten Teil seiner Zeit mit dem Flüchtling aus Jehanglan. Vielleicht hatte Taren ihn ja zur Vernunft gebracht. Sollte das so sein, war sie dem Mann dankbar.
Zusammen sahen sie zu, wie Boreal Heuhalme aus seinem Vorrat zog. Dann … hatte sie sich das nur eingebildet, oder war Raven ein wenig näher gerückt? Maurynna nahm an, das sei nur ihre Phantasie.
Raven fragte: »Wie heißt er? Ich glaube, ich habe den Namen einmal gehört, aber er fällt mir nicht mehr ein. Und hast du den Namen gewählt? Er konnte dir wohl kaum sagen, wie er sich selbst nennt.«
Sie nickte. »Ich habe ihm seinen Namen gegeben. Er heißt Boreal.«
»Warum Boreal?« fragte Raven.
Verlegen gab sie zu: »So hieß Bram Wolfsohns Pferd.«
Nun war es an Raven zu lachen, was er laut und ausführlich tat. Endlich wischte er sich die Augen und sagte:
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