Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
Er legte das Zaumzeug, das er für Lleld flickte, in seinen Schoß und seufzte. »Das ist guter Wein!«
»Ja, es ist pelnaranischer; die Drachenlords trinken nur das Beste. Man hat Eurem Großonkel also gestattet, sie zu besuchen, und Euch nicht?« Taren klang ein wenig empört.
»Äh … nein. Aber Linden Rathan hat es ihm erzählt und nicht mir«, sagte Raven. Er erwähnte nicht, daß er auch nicht zu den Gemächern der beiden gegangen war, um nachzufragen, wie Otter es getan hatte. Je weniger er von Linden Rathan sah, um so besser. In dem darauffolgenden Schweigen dachte Raven über die Ungerechtigkeiten des Lebens nach. Er fuhr mit dem Daumen über einen Riemen des Zaumzeugs. Löste sich die Naht dort an der Schnalle?
Taren sagte: »Es muß langweilig für Euch sein, da Eure beste Freundin krank ist. Es ist schade, daß Ihr sonst keine Gesellschaft habt, außer Eurem Großonkel, wenn ich zu krank bin, um Euren Besuch zu empfangen.«
Raven blickte auf. »Nein, so ist es nicht. Ich unterhalte mich oft mit Chailen, dem Stallmeister; ich glaube nicht, daß er jemals jemandem begegnet ist, der soviel von Pferden weiß. Und dann sind da Lleld und Jekkanadar. Sie nehmen mich sogar jeden Morgen zum Ausritt in die Berge mit.«
»Sind das auch Stallknechte?«
»Nein«, antwortete Raven mit stolzem Staunen. Wieder warf er einen Blick auf das Zaumzeug. Ja, auch diese Naht mußte ausgebessert werden. Er stellte den Kelch ab und griff nach der Ahle mit dem gewachsten Leinenfaden. »Es sind Drachenlords: Lleld Kemberaene und ihr Seelengefährte Jekkanadar Surael. Das hier ist das Zaumzeug von Llelds Llysanyaner Miki.«
Ein verblüfftes Keuchen war die Antwort auf seine Worte. Raven blickte erstaunt auf. »Ist etwas nicht in Ordnung, Taren?«
Denn in Tarens Miene und in seinen glitzernden Augen lag ein Eifer, der Raven noch nie aufgefallen war. Es bewirkte, daß er sich ein wenig unbehaglich fühlte. Aber Tarens nächste Worte erklärten nichts.
»Ihr seid also gleich mit vier Drachenlords befreundet?« fragte Taren.
Raven zuckte die Achseln. »Ich würde Linden Rathan nicht als Freund bezeichnen.«
»Aber Ihr kennt vier Drachenlords?« Taren bohrte weiter. Seine Augen blitzten.
Raven runzelte die Stirn. »Wenn Ihr es so ausdrücken wollt … ja, ich kenne vier – Taren, was soll das?«
Tarens unglaublich liebenswertes Lächeln beendete sein Unbehagen. »Es ist nur, daß so viele Echtmenschen nie auch nur einen einzigen Drachenlord in ihrem Leben zu sehen bekommen – und Ihr kennt vier. Viele würden Euch glücklich schätzen, Raven Rotfalksohn.«
»In dreien dieser Fälle wäre ich derselben Ansicht«, meinte Raven.
»Ich würde diese vier Drachenlords gerne kennenlernen, Raven. Das würde ich wirklich sehr, sehr gern«, sagte Taren leise.
»Sobald es Maurynna bessergeht, werde ich sie fragen«, meinte Raven, denn er war erfreut, etwas für den Mann tun zu können. Taren war ein so geduldiger Zuhörer. »Wäre das in Ordnung?«
»Das würde mich wirklich sehr freuen.«
Wie immer zum Abendessen war überall in der großen Halle das Klimpern von Geschirr und Besteck und vergnügtes Schwatzen zu hören. Zumindest war es üblicherweise vergnügt. Aber heute abend gab es auch Spuren von Spekulationen und nervöser Erwartung.
Maurynna rieb sich das Genick; es fühlte sich so an, als summte die Luft wie eine gezupfte Harfensaite. Es brachte Kyrissaean weiter in den Vordergrund als üblich. Maurynna konnte spüren, wie ihre Drachenhälfte zusah und in ihrem Geist wartete. Es ließ ihr Hirn kribbeln.
Es half auch nicht sonderlich, daß dies der erste Abend war, an dem sie sich gut genug fühlte, um in der großen Halle zu essen. In den vergangenen vier Tagen war sie in ihren Gemächern geblieben, bedient nur von ihren Kir-Dienern Varn und seiner Frau Wyone und gepflegt von Linden und hin und wieder Fiaran.
Gegen Fiaran hatte sie nichts gehabt; der arme Mann war lächerlich dankbar, endlich eine Patientin zu haben. Maurynna nahm an, daß er sich im Drachenhort zu Tode langweilte, also hatte sie seine Heiltränke klaglos zu sich genommen. Die meisten hatten sogar recht gut geschmeckt. Fiaran gab seinen wenigen Patienten keinen Anlaß zu Beschwerden.
Linden auf der anderen Seite hatte sich einfach angestellt Ununterbrochen. Er hatte sich geweigert, von ihrer Seite zu weichen, bis sie ihm schließlich wütend ein Kissen an den Kopf geworfen und gedroht hatte, eine Schale Eintopf hinterherzuwerfen. Erst dann hatte er
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