Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
»Ich denke, das wird alles nur noch schlimmer machen. Ich hoffe nur, der Junge kommt bald zur Vernunft. Außerdem hast du ihm bereits deutlich gemacht, daß er seine Zeit nur verschwendet.«
»Woher weißt du das?«
Mit einem Zwinkern wies Linden mit dem Daumen über die Schulter nach hinten. »Maurynna, Liebste, er hatte einen halben Strohballen an seinem Rücken hängen.«
Sie konnte nicht anders. Sie fiel ihm lachend in die Arme.
Nachdem er auch den letzten Zeremonialring angelegt hatte, bewegte Haoro die beladenen Finger und verzog das Gesicht. Wie üblich drückten die Ringe. Er warf dem Schüler, der ihn angekleidet hatte, einen erbosten Blick zu. Der Junge wurde bleich und duckte sich.
Bevor Haoro den unfähigen Kerl bestrafen konnte, betrat ein weiterer Schüler den Raum. »Euer Heiligkeit«, sagte der zweite Schüler, »Euer Onkel, der ehrenwerte Fürst Jhanun, möchte Euch vor der Zeremonie sehen.«
Haoro seufzte. War es tatsächlich schon ein Jahr her, seit er den roten Lotus erhalten hatte? Es fühlte sich an, als wären nur Tage seit der letzten Pilgerfahrt seines Onkels vergangen -jener, bei der Fürst Jhanun ihm seinen Plan enthüllt hatte. Man konnte sich darauf verlassen, daß es seinem Onkel immer gelang, Frömmigkeit und Geschäft miteinander zu vereinen.
Haoro wünschte sich zumindest noch ein weiteres Jahr. »Gut; führ ihn hierher und nimm diesen Ungeschickten mit und erkläre ihm, wie man einen Priester richtig kleidet. Prügele es ihm ein, wenn es sein muß.«
Der zweite Schüler schaute überrascht drein, verbeugte sich und ging dann. Haoro drückte die Nasenwurzel zwischen Zeigefinger und Daumen. Wahrhaftig, er mußte sich zusammennehmen. Prügel! Solch grobe Bestrafungen waren nicht seine übliche Art. Es war vermutlich der Gedanke, seinen Onkel wiederzusehen. Das würde jeden erschüttern.
Der Schüler kam zurück und führte Jhanun herein. Nach einer Verbeugung verließ er den Raum wieder, diesmal gefolgt von dem zitternden Jungen.
Als sie alleine waren, sagte Jhanun: »Sind deine Priester an Ort und Stelle?«
Haoro nickte und rückte die Ringe zurecht.
»Du bist sicher, daß es funktionieren wird?«
»O ja«, sagte der Priester. »Ich habe mich eingehend mit den Aufzeichnungen über die ursprüngliche Zeremonie beschäftigt, die das Ungeheuer hier bindet und die Schutzsteine in den anderen drei Vierteln geschaffen hat. Es sollte mit vier Machtquellen in jedem Viertel sogar noch besser funktionieren. Ein Nira braucht die Qual nicht durchzumachen, die wir alle seit der Bindung durchgemacht haben. Und falls dein Baisha recht hat …«
»Er weiß, was er tut.« Die Worte klangen wie ein Peitschenknall.
Haoro verbeugte sich zum Zeichen, daß er den Tadel entgegennahm. »Dann wird es einfacher sein, diese Geschöpfe in Menschengestalt gefangenzuhalten als das Ungeheuer unter unseren Füßen.«
»Sind deine Priester in den anderen drei Schutztempeln an Ort und Stelle? Und bist du bereit, dich gegen Pahko zu wehren?«
Das war die Frage, die Haoro befürchtet hatte. »Die Priester sind, wo sie sein sollten, aber …«
»Du bist es nicht.« Ein Blick aus Augen so schwarz und kalt und hart wie Obsidian begegnete dem seinen. »Ich schlage vor, daß du dich darum kümmerst, Neffe, und zwar schnell. Du mußt bereit sein, an Pah-kos Stelle zu treten, wenn ich an die von Xiane ma Jhi trete, sobald Baisha zurückkehrt. Ich muß morgen wieder in die Hauptstadt reisen. Kurz nachdem ich dort eingetroffen bin, erwarte ich von dir zu hören, daß du bereit bist. Hast du das verstanden?«
Haoro kniff die Lippen zusammen, um sich eine Erwiderung zu verbeißen, und verbeugte sich abermals. »Ich verstehe, verehrter Onkel. Aber es ist nicht leicht, eine Waffe gegen Pahko zu finden. Er ist sehr beliebt. Und nun muß ich zur Zeremonie in den Tempel.«
»Ah ja. Ich freue mich schon auf den Gesang.«
Mit dieser Bemerkung drehte sich Jhanun um und ging.
Haoro betrachtete noch einmal seine Gewänder, um sich zu überzeugen, daß nichts fehlte, und strich sie unwillkürlich glatt. Plötzlich krallte sich seine Hand in die unbezahlbare Seide und zerknitterte sie.
Es mußte tatsächlich funktionieren, den Phönix mit einem Schutz zu binden, der von diesen vier … Drachenlords … Geschöpfen verankert wurde. Und es würde eine Bindung sein, die wirklich tausend Jahre dauerte und sich nicht abnutzte, wie jene, die das Ungeheuer in der gewaltigen Höhle unterhalb des Tempels hielt. Denn sie nutzte
Weitere Kostenlose Bücher