Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
sich tatsächlich ab; manchmal spürte selbst er die Qualen, die das Ungeheuer erlitt, und er war nicht einmal der Nim.
Aber das würde er sein. Und dann würde seine Familie nicht mehr um die Gefallen bitten müssen, die Jhanun ihnen zukommen ließ.
Fürst Jhanun schloß die Augen und ließ sich von der unglaublichen Schönheit des Gesangs überwältigen.
Ja, Phönix, wenn ich Jehanglan beherrschte, würde ich dafür sorgen, daß du angemessen geehrt wirst – nicht wie es dieser ketzerische, dekadente Kerl tut, der auf dem Thron sitzt. Gib mir den Thron, gib mir Macht, und ich werde diese Macht benutzen, um deine Anbetung auf der ganzen Welt zu verbreiten.
Er würde dafür sorgen, daß die alten Bräuche wieder Einzug hielten. Und wenn das soweit war, würde niemals einer Konkubine gestattet werden, solchen Einfluß auf einen Kaiser zu erhalten, wie ihn diese kleine Hure Shei-Luin erhalten hatte. Frauen würden wieder wissen, wo sie hingehörten.
Er schauderte. Zu denken, daß die Tochter des Ketzers eine solche Position am Hof hatte, bewirkte, daß ihm übel wurde. Kein Wunder, daß es Erdbeben gab, Feuersbrünste, Hochwasser, Dürren und alle möglichen anderen Katastrophen. Der Phönix hatte recht, zornig zu sein; daß ein Kind Kiranos Mutter des Erben sein sollte, verhöhnte das Opfer des Phönix.
Hätte der Kaiser nur auf ihn gehört und dieses Geschöpf verstoßen! Wäre sie nur auf seinen kleinen Kunstgriff hereingefallen … aber nein; dieses Mädchen war so schlau wie eine Schlange.
Und das wiederum erinnerte ihn daran, daß er so bald wie möglich in die Hauptstadt zurückkehren mußte. Wenn schon nichts anderes, mußte er einen Finger am Puls des Hofs halten.
Aber nun würde er sich zunächst von der Heiligkeit des Phönix erfüllen lassen.
Haoro lauschte zusammen mit den anderen und wartete ungeduldig auf das Ende der Zeremonie. Nein, er mußte zugeben, daß seine Ungeduld nicht der Zeremonie galt, sondern sich selbst. Denn er mußte immer noch den Makel in der Rüstung des Hohen Priesters und Nira Pahko finden. Er mußte immer noch seinen Teil zu dem Plan beitragen. Und das mußte geschehen, bevor der Diener seines Onkels zurückkehrte.
Als wäre der Gedanke an den Nira ein Magnet, wanderte Haoros Blick dorthin, wo der alte Mann in einer eigenen Loge der Zeremonie beiwohnte, umgeben von Schülern, seinem neuen Orakel und Dienern. Gewohnheitsmäßig konzentrierte Haoro seine Aufmerksamkeit nur auf den Nira. Dann fiel ihm etwas auf: Der stumme Junge an Pah-kos Seite, derjenige, der das alte Orakel ersetzt hatte, als der andere zu alt geworden war. Die Suche nach dem neuen war lange und schwierig gewesen; Haoro erinnerte sich daran, gehört zu haben, daß man den Jungen in einer Familie von Salzminensklaven zweihundert TaVri entfernt gefunden hatte und daß er ein Orakel von ganz besonderer Kraft sei.
Wie hieß er noch? O ja – Hodai.
Aber es war nicht der Junge selbst, auf den Haoro aufmerksam geworden war – der sah aus wie ein gewöhnliches Kind. Nein, es war seine Miene. Haoro hatte nie solchen Hunger gesehen. Während der Chor sich zum Finale steigerte und triumphierend den Phönix der Sonne pries, schmerzte es geradezu, solch rohe Begierde zu sehen.
Haoro wußte, daß er gefunden hatte, was er suchte.
Shei-Luin blickte von ihrem Buch auf, als Murohshei hereinkam, ein Zhansjen in der Hand. Sie blinzelte überrascht, denn ihm folgte Zyuzin, der Singvogel, und er kämpfte mit einem großen Steingutkrug. Es war schlichte Arbeit, die Art von Krug, die arme Leute benutzten, aber Zyuzin strahlte, als trüge er etwas sehr Kostbares. Shei-Luin und Tsiaa wechselten einen verblüfften Blick. Auf Shei-Luins Nicken hin legte die Zofe ihre Näharbeit nieder und kam näher, kniete sich hinter ihre Herrin.
So vorsichtig, wie es mit seiner Last möglich war, kniete Zyuzin sich vor ihr nieder. Murohshei kniete an einer Seite und betrachtete sie beide. Shei-Luin fand, daß er aussah wie jemand, der ein wunderbares Geheimnis erfahren hat.
Zyuzin setzte den Krug ab, legte eine Hand auf dessen Deckel und sagte stolz: »Blüte des Westens, ich habe ein Geschenk für dich. Bitte verzeih den einfachen Krug, in dem ich es bringe; es war das Beste, was meine Familie sich leisten konnte.«
Neugierig fragte Shei-Luin: »Was ist es denn, kleiner Singvogel? Es würde doch sicher niemand Blüten in einem versiegelten Krug schicken.«
»Oh, die meisten Mitglieder meiner Familie sind keine Gärtner, Begünstigte
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