Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
vergesse ich, wie jung er ist und daß er alle Zweifel der Jungen hat. Er ist zu klug für ein Kind.
Wieder starrte er aus dem Fenster. Die Krähen des Zweifels kehrten zurück, um an seinem Geist zu picken. Plötzlich sagte er: »Einige behaupten, der erste Nira hätte nicht tun sollen, was er getan hat. Einige glauben auch, die Bindung sollte rückgängig gemacht werden. Hodai – sollen wir Kleine Jade fragen, was er denkt? Ehre uns mit deiner Weisheit, o winziger Weiser!«
Hodais Hand verkrampfte sich. Sie zuckte einmal.
»Bi«, sagte der kleine Fink. »Bibibi.«
Pah-ko nickte. »Du bist auch der Ansicht, daß der Phönix frei sein sollte? Gut! Und was sagst du da? Ja, ich glaube auch, daß das arme Ungeheuer unter uns befreit werden sollte, möge der Phönix mir meine Ketzerei vergeben.«
Die Hand des Jungen, plötzlich eiskalt, entglitt seinem Griff wie ein toter Gegenstand.
Linden kam aus dem Badezimmer und zog die Finger durch das nasse Haar seines Clanzopfs, um es zu entwirren. Dampf stieg von seinem nackten Körper auf, als er summend durchs Schlafzimmer schlenderte. Maurynna, zufrieden damit, warm und faul unter den Decken zu liegen, sah ihn anerkennend an, als er vor dem Feuer stehenblieb, um sich mit einem besonders widerspenstigen Knoten zu beschäftigen.
Ich glaube, ich werde nie müde werden, ihm zuzusehen, dachte sie. Dann lächelte sie. Oder …
Ein Klopfen an der Zimmertür unterbrach diese angenehmen Gedanken. Sie setzte sich überrascht hin.
»Linden? Maurynna?« Varn, ihr Ä7r-Diener, rief durch die Tür; er hatte gelernt, nicht einfach hereinzustürzen, der arme Kerl. Seine Stimme war so gereizt, wie Maurynna sie nie zuvor gehört hatte. Beunruhigt griff sie nach dem Nachthemd, das am Abend zuvor zu Boden gefallen war, und zog es sich über.
»Ja. Herein«, rief Linden, als sie fertig war. Er wandte sich ihr zu. Sie hatte seine Kniehosen in der Hand und warf sie ihm zu. Er zog sie sich über, als Varn das Zimmer betrat. Maurynna sprang aus dem Bett und ging zu ihrer Kleidertruhe am Fußende. Sie griff nach dem erstbesten Hemd und den ersten Hosen, die ihr in die Finger kamen, und richtete sich dann wieder auf, um zu lauschen.
Der üblicherweise stets gutgelaunte Kir schaute beunruhigt drein. »Ich dachte, Ihr wolltet vielleicht wissen«, meinte er, »daß die Saethe zusammentritt. Jetzt.«
So früh? Sie müssen die Hälfte der Mitglieder aus dem Bett geholt haben, dachte Maurynna überrascht.
»Warum?« fragte Linden.
»Das weiß ich nicht mit Sicherheit«, meinte Varn bedächtig.
»Dann erzähl uns die Küchengerüchte«, forderte Linden.
Maurynna erinnerte sich, wie Linden einmal gesagt hatte, daß in neun von zehn Fällen die Nachrichten aus den Dienerquartieren richtig waren.
Varn nickte. »Es heißt, die Echtdrachen glaubten, der in Jehanglan gefangene Drache sei entweder Dharm Varleran oder ein Echtdrache namens Pirakos. Morien hatte eine Vision: Es wird Magie oder magische Wesen brauchen, den Gefangenen zu befreien, also hat es keinen Sinn, eine Gruppe von Echtmenschen zu bitten, etwas zu unternehmen, selbst wenn sie in dieses Land gelangen könnten.«
Der Kir hielt inne; er rieb sich das Gesicht. Die nächsten Worte waren kaum mehr als ein Flüstern.
»Es heißt, es wird ein paar Tage brauchen, bis sie bereit sind, aber … die Echtdrachen … die Echtdrachen ziehen in den Krieg.« Tränen liefen ihm über die pelzigen Wangen.
»Bei Gifnus Höllen«, fluchte Linden leise. Er wandte sich ab.
Die Kleidungsstücke entglitten Maurynnas Händen, und sie legte eine Hand über die Eisgrube, zu der ihr Magen geworden war. »Ihr Götter, nein«, war alles, was sie sagen konnte.
12. KAPITEL
Es begann. Sulae Shallanan – in Drachengestalt, weil sie einer abgelegen lebenden Familie von Kir-Hirten Arznei bringen wollte -sah sie als erste. Sie setzte sich sofort im Geist mit den anderen Drachenlords im Schloß in Verbindung. Die Nachricht verbreitete sich rasch, und bald waren alle, die konnten, draußen, um zuzusehen.
»Jetzt kommen sie!« rief jemand. Der Himmel im Norden wurde schwarz. Viele weinten ganz offen. So etwas war in Jahrhunderten nicht mehr geschehen, nicht seit dem Schamanen-Krieg, dessen wilde Magie die Drachenlords geschaffen hatte. Und niemand hatte es jemals wieder sehen wollen.
Die Echtdrachen zogen in den Krieg.
Linden stand mit Maurynna, Otter und Raven zusammen. Taren stand auf der anderen Seite. Angst zeichnete die Miene des Mannes. Angst und
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