Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
– Zorn.
Nun, Taren hatte allen Grund, zornig zu sein. Auch Linden war zornig, daß die Echtdrachen so etwas tun sollten, obwohl es ihrem Wesen so heftig widersprach. Aber sie hatten alle kein Recht, sich in die Angelegenheiten dieser gewaltigen Herren des Himmels einzumischen.
Die Echtdrachen waren nun beinahe über ihnen. Wie ein Schwärm riesiger Heuschrecken flogen sie einer hinter dem anderen, alle entschlossen, dieses schreckliche Unrecht aus der Welt zu schaffen. Der Himmel über ihren Köpfen wurde dunkel, und jene am Boden sahen schweigend zu. Aber nur zu bald schon erschien der hellblaue Herbsthimmel wieder.
»Morien konnte sie nicht aufhalten?« flüsterte Maurynna.
»Nein.« Lleld trat zu ihnen. »Er ist überstimmt worden.« Dieses Mal war Lleld überhaupt nicht glücklich, Neuigkeiten bringen zu können. In ihren braunen Augen standen Tränen. »Alle bis auf die sehr Alten, die sehr Jungen und die Kranken sind mit der Armee gezogen.«
»Auch Morien?« fragte Maurynna. »Ich dachte, ich …« Ihre Stimme bebte.
»Auch Morien, meine Liebste«, sagte Linden. Er strich ihr übers Haar. »Ich habe ihn erkannt.«
»Er würde es nicht den anderen überlassen, sich dieser Gefahr zu stellen; er ist alt, und seine Magie ist nicht mehr so stark wie früher – das waren seine eigenen Worte, hat die Herrin gesagt –, aber er hat immer noch Kraft. Er stimmt diesem Plan nicht zu, aber er wird sie nicht allein lassen«, sagte Lleld. Auch ihre Stimme bebte nun, und sie wandte sich ab, um den Echtdrachen hinterherzuschauen.
»Mögen die Götter ihnen beistehen«, sagte Otter, nachdem der letzte Echtdrache hinter der Bergkette südlich der Drachenfestung verschwunden war.
»Und sie sicher wieder nach Hause bringen«, sagte Linden. Zu sich selbst murmelte er: Ich wußte nicht, daß es so wenige sind. Gott helfe uns allen – was , wenn die Magie der Jehangli stärker ist als die ihre?
Es konnte das Ende der Echtdrachen bedeuten. Er schloß die Augen vor diesem Gedanken. »Bitte nicht«, flüsterte er gegen Maurynnas Haar. »Bitte nicht.«
Sein Herr schlief. Hodai stand in der Tür und lauschte Pah-kos tiefen, gleichmäßigen Atemzügen, hin und wieder unterbrochen von einem Wimmern, bedingt durch den Schmerz, der der stetige Gefährte eines Nira war. Er war froh, daß sein Herr im Schlaf zumindest ein wenig Erleichterung fand. Daß Pah-ko eingeschlafen war, bedeutete auch, daß Hodai eine Weile nach draußen gehen konnte.
Wie eine Maus schlüpfte Hodai aus den Gemächern des Nira und durch die Flure des Tempelkomplexes, der den Kajhenral krönte. Wann immer er es nicht vermeiden konnte, daß ihn jemand sah, trabte das kleine Orakel zielstrebig voran, in der Hoffnung, daß jedermann glaubte, er erledigte einen Botengang für den Heiligen. Niemand würde ihn dann aufhalten.
Nicht einmal Haoro. Hodai ging die gewundene Treppe hinab, die zu dem Hinterausgang bei den Vorratskammern führte.
Aber als hätte der Gedanke an ihn ihn herbeigerufen, stand Haoro am Fuß der Treppe und sprach dort mit einem der geringeren Priester, der die Aufsicht über die Vorratskammern hatte.
»Ich wünsche, daß mehr von dem neuen Räucherwerk in meine Gemächer geschickt wird. Der Duft ist sehr angenehm.«
Stolpernd kam Hodai zum Stehen. Er versuchte sich umzudrehen, aber in seinem Schrecken verrieten ihn seine Beine. Sie gaben nach, und er fiel so heftig hin, daß sich ihm ein gequältes Grunzen entrang.
Sofort schaute Haoro die Treppe hinauf und entdeckte ihn. Das Orakel konnte nur zurückstarren, zu verängstigt, um sich zu rühren. Der Priester sah ihn einen Augenblick lang an, und dieser Augenblick schien eine Ewigkeit zu dauern, während Hodais Blut in seinen Ohren wie Donner grollte. Er befürchtete, ohnmächtig zu werden. Als er das Lächeln sah, das schließlich über Haoros Lippen glitt, wäre das auch beinahe passiert.
Haoro wußte es.
Mit einer Geste entließ Haoro den geringeren Priester. Der Mann eilte davon. Hodai zwang seine Beine, ihm wieder zu gehorchen, er wollte davonlaufen, aber sie hatten nur die Kraft geschmolzenen Wachses. Er konnte nichts anderes tun, als hilflos zuzusehen, wie der Priester die Treppe hinaufkam, jeder Schritt so langsam und entschlossen wie der eines Kriegers, der sich anschleicht.
»Du hast mir etwas zu sagen.«
Hodai zitterte. Nein! wollte er schreien, er wollte aufspringen und davonrennen. Aber ihm war das Sprechen nicht gegeben, und sein Körper gehorchte ihm nicht. Das Beste,
Weitere Kostenlose Bücher