Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
was er tun konnte, war, die Finger so fest zu verschränken, daß es weh tat, und sich vorzunehmen, nicht zu …
Der Priester machte eine Geste. Abermals sang die geisterhafte, wunderschöne Stimme. Abermals traf der Klang Hodai mitten ins Herz. Er lauschte begierig; sie verklang zu bald, und er sehnte sich nach mehr.
»Das könnte deine Stimme sein, Hodai. Deine, solange der Phönix lebt.«
Immer noch im Bann der Stimme, löste Hodai die verschränkten Finger, und wie jemand, der in Trance gefallen ist, begann er mit zitternden Fingern Worte zu formen.
Als Hodai fertig war, sagte Haoro: »Aber er hat nichts darüber gesagt, tatsächlich die Bindung lösen zu wollen?«
Hodai schüttelte heftig den Kopf, nachdem die Schreckensstarre endlich von ihm gewichen war. Nein, signalisierte er wieder und wieder.
»Dann soll er sich diese Tigergrube noch ein wenig tiefer graben.« Zu Hodais Erleichterung ging Haoro weiter die Treppe hinauf, an ihm vorbei. Das junge Orakel starrte geradeaus, und er wünschte sich, Haoro wäre weit, weit fort.
Aber er sollte nicht lange Ruhe haben. Denn Haoro blieb direkt hinter ihm stehen und sagte: »Du bist Pah-ko sehr treu, nicht wahr, kleines Orakel? Denn dies ist nicht heute geschehen, oder?«
Hodai erstarrte. Woher …?
»Ich weiß es immer, Junge. Also denke nicht einmal daran, Pah-ko zu warnen, Hodai. Und wenn du das tust, werde ich es ebenfalls erfahren. Und dann wirst du sterben. Hast du verstanden?«
Hodai nickte starr, denn er wagte es immer noch nicht, sich umzudrehen. Nicht ehe das letzte Echo der Schritte verhallt war, nicht ehe sein Hinterteil beinahe so kalt war wie die Steine, auf denen er saß, wagte Hodai sich zu regen.
Als er es endlich tat, schlurfte er die Treppe wieder hinauf, alle Gedanken an Spiel vergessen, innerlich so leer wie ein Gespenst.
Taren saß nach einem Abendessen, zu dem er wenig Appetit gezeigt hatte, dicht am Feuer, einen dicken Schal um die Schultern gewickelt und eine Decke über dem Schoß. Sein ausgemergeltes Gesicht sah im Feuerlicht noch gelblicher aus. Die weißen Sorgenperlen blitzten auf, als er sie endlos durch die Finger zog.
Es muß in Jehanglan tatsächlich warm sein, daß Tarens Blut so dünn geworden ist 9 dachte Linden, als er sich nahe dem Sessel des ehemaligen Sklaven auf das Kaminsims stützte. Er spähte zu Otter hin, der am kühlen Herbstabend nur ein Wollhemd und Kniehosen trug. Selbst Otter fühlt sich wohler, und er ist älter als Taren.
Sein Blick glitt über die anderen in der Halle. Der Barde saß auf dem Sessel auf der anderen Seite der Feuerstelle Taren gegenüber, betrachtete den Kelch in seiner Hand und schaute ernst drein. Seine Harfe lehnte an der Wand. Linden fragte sich, ob Otter heute abend wohl das Herz haben würde zu singen. Raven saß auf einem niedrigen Hocker am Knie seines Großonkels, stützte das Kinn auf die Hände und starrte ins Feuer. Stirnrunzelnd betrachtete er, was immer er dort sah.
Lleld und Jekkanadar hatten sich auf den einzigen Doppelsessel des Raums zusammengerollt. Der feuerrote Kopf Llelds ruhte an der Schulter ihres Seelengefährten; Jekkanadar hatte den Arm um sie gelegt. Beide sagten kein Wort.
In all den Jahren, seit ich sie kenne, habe ich Lleld nie so unglücklich gesehen. Ich weiß, ich habe mir oft gewünscht, sie wäre nicht ganz so … überschwenglich, aber verflucht! Wenn das die Erfüllung meines Wunsches ist, dann hätte ich sie lieber zehnmal schlimmer als zuvor.
Maurynna saß im Schneidersitz auf dem Boden. Sie zupfte an den langen Seidenfransen der assantikkanischen Schärpe, mit der sie ihr Hemd gegürtet hatte, flocht die Fransen und löste das Flechtwerk wieder. Ihr Weinkelch stand unbemerkt neben ihrem Knie.
»Ich kann nicht glauben, daß sie es wirklich versuchen wollen«, sagte Lleld und brach damit das lastende Schweigen.
Linden trank einen Schluck Wein. »Sie können doch Pirakos oder Varleran, oder wer immer es sein mag, nicht einfach dort lassen! Was sonst hätten sie tun können?« Er hob die Hand, um den Zorn des kleinen rothaarigen Drachenlords abzuwehren. »Nein, ich glaube auch nicht, daß es das richtige war. Ich sehe nur keinen anderen Weg …«
»Das ist, weil du immer noch wie ein Soldat denkst«, fauchte Lleld. »Es gibt andere Möglichkeiten, an die Waben zu gelangen, als mit dem Kopf gegen den Bienenstock zu rennen.«
»Was würdest du denn vorschlagen?« konterte Linden.
Mit vorgeschobener Unterlippe meinte Lleld: »Ich weiß es nicht.
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