Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
zurückkehren; es ist bald Zeit für die Mitternachtszeremonie.«
Sie verstreuten sich wie ein Schwärm erschrockener Krähen, und jeder nahm einen anderen Weg zurück zum Tempel.
Linden lag im Bett, einen Arm hinter dem Kopf, den anderen über der bis zur Brust hochgezogenen Decke. Er ignorierte die kalte Nachtluft an seinen nackten Schultern und Armen; er hatte zuviel, worüber er nachdenken mußte, und die Kälte würde ihm vielleicht helfen, wach zu bleiben. Neben ihm atmete Maurynna tief und leicht und zufrieden; sie hatte sich so zusammengerollt, daß ihr Rücken seine Seite berührte. Er nahm an, daß sie bereits schlief. Das half ihm nicht; am liebsten hätte er sich an ihren warmen Körper geschmiegt und wäre selbst eingeschlafen. Aber er mußte nachdenken.
Er blinzelte und gähnte. Verflucht; etwas, was Taren an diesem Abend gesagt hatte, beunruhigte ihn. Aber er wußte einfach nicht, was, und nun wurde er zu müde, um es herauszufinden. Aber es war etwas Wichtiges, etwas, was sehr …
… er war in der großen Halle von Schloß Drachenhort. Daran lag nichts Seltsames, aber neben ihm stand der Mann seiner Schwester, Fischer. Obwohl ein Teil seines Geistes Linden sagte, daß Fischer schon vor Jahrhunderten gestorben war, schien es vollkommen richtig, daß sein Schwager anwesend war.
»Gehen wir heute auf die Jagd?« fragte Fischer. »Ich habe ein paar schöne neue Frettchen für die Kaninchenjagd.« Er tätschelte den Weidenkorb, den er sich über die Schulter gehängt hatte, und grinste. Von drinnen war eifriges Kratzen und Schnattern zu hören. Linden grinste zurück. Wenn es eins gab, was Fischer immer gern tun wollte, dann war es die Jagd mit seinen Frettchen. Linden fragte sich, ob Fischers wohlbekannte Vorliebe für Kanincheneintopf das Ergebnis der Frettchenjagd oder der Grund dafür war.
»Also gut«, sagte er. »Es gibt einen Bau in dem Obstgarten hinter den jüngeren Bäumen. Aber ich warne dich, es ist weit von hier.«
Aber als sie das Schloß verließen, fanden sie sich sofort im besagten Obstgarten. Dennoch war Linden dank der Logik der Träume nicht überrascht. Die Dinge waren so, wie sie sein sollten. Fischer setzte den Korb mit den Frettchen ab.
»Halte dich bereit, Linden « , warnte Fischer. »Wir werden sie alle in die Karnickellöcher scheuchen müssen.«
Bevor Linden ihn fragen konnte, was er meinte – sicher konnten doch nicht mehr als ein, zwei Frettchen in dem Korb sein, und wo waren überhaupt die Netze für die Kaninchenlöcher? –, klappte Fischer den Deckel auf und kippte den Korb um. Frettchen sprangen heraus und liefen und hüpften umher. Das heisere Stakkato-ah, ah, ah-»Lachen« aufgeregter Frettchen erklang. Schon waren es viel mehr, als im Korb hätten gewesen sein können, und immer noch kamen weitere herausgesprungen.
»Schnell! Schnell! Scheuch sie in die Löcher!«
Verblüfft stand Linden inmitten dieser Armee schlanker, geschmeidiger Tiere, die um seine Füße herum spielten. »Frettchen scheuchen? Hast du den Verstand verloren? Es sind zu viele!«
»Ja!« rief Fischer entzückt. »Eine ganze Herde von ihnen! Noch besser – eine ganze Armee! Und es gibt noch mehr.«
Damit kippte er den Korb um, und die letzten Frettchen kamen herausgefallen. Es waren sechs, die alle kleine Gewänder mit magischen Zeichen trugen. Sie setzten sich in eine Reihe vor Linden auf die Hinterbeine, die Vorderpfoten feierlich verschränkt. Ein weißes Frettchen betrachtete Linden aus rubinroten Augen und verkündete: »Wir haben uns auf die beste Möglichkeit zum Buttermachen geeinigt.« Dann bewegte der weiße Frettchenmagier eine Pfote, und alle herumflitzenden Frettchen trugen Gewänder. Im nächsten Augenblick rasten sie alle in die Kaninchenhöhlen. Linden konnte ihnen nur verblüfft hinterherstarren. »Was zum … Fischer, ich verstehe nicht …«
»Ich verstehe das nicht«, murmelte Linden. Er schüttelte den Kopf und stützte sich auf die Ellbogen. Dunkelheit umgab ihn. In der Feuerstelle glühten nur noch matt ein paar Kohlen.
»Mh?« Maurynna drehte sich um und schlang den Arm um ihn. Nach einem gewaltigen Gähnen fragte sie schläfrig: »Haltest du einen Alptraum?«
Linden blinzelte den Schlaf weg und sagte: »Nein. Es war eigentlich ein sehr alberner Traum. Fischer, der Mann meiner Schwester, kam darin vor, und Hunderte von Frettchen. Und es gab ein Frettchen, das auch ein Magier war – nein, es gab sechs Frettchen, die angezogen waren wie Magier in einer
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