Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
Hand.
Ein Schatten glitt über den dünnen Sichelmond. Einen Augenblick lang traute Merlet ihren Augen nicht. Sie war beinahe sicher, daß es nur ein Versehen gewesen war.
Aber nein – ein weiterer Schatten folgte, dann noch einer. Merlet warf ihren Umhang ab und ließ sich in die Verwandlung gleiten.
5fe sind wieder da! rief sie allen in der Festung zu. Die Echtdrachen kehren zurück! Sie sprang in die Luft.
Und als sie wie ein Pfeil durch den Nachthimmel schoß, dachte sie: Aber ihr Götter, es sind so wenige!
Früh am nächsten Morgen saß Maurynna auf Boreais Rücken und sah zu, wie die Viehhirten ihre Herden aufs Versammlungsfeld trieben. Die erschrockenen Tiere drängten sich dort verwirrt zusammen. Irgendwie wußten sie, was ihnen drohte.
Der erste Drachenlord schoß aus dem Himmel, packte ein Tier der Herde und hob es in die Luft. Sie erkannte Kelder Oronin in seiner Drachengestalt. Die Herde geriet in Panik, aber bevor es zu einer Stampede kam, schoß ein zweiter Drachenlord aus der entgegengesetzten Richtung auf sie zu. Wieder wurde eine zu Tode erschrockene Kuh weggetragen.
Maurynna sah zu, wie die Herde Tier um Tier dezimiert wurde. Nur zwei Drachenlords konnten mehr als eine Kuh zur gleichen Zeit tragen: Linden und ein anderer Yerrin-Drachenlord, der beinahe ebenso groß war und Brock Hatussin hieß. Und selbst ihnen fiel das, wie Maurynna sah, schwer.
Lleld, auf Mikis Rücken, gesellte sich zu ihr. Es war ein kleiner Trost, daß es zumindest einen weiteren Drachenlord gab, der nicht helfen konnte; Lleld war zu klein, um eine Kuh sicher tragen zu können. Aber zumindest konnte sie sich verwandeln.
Um ein Gespräch zu beginnen – und sich von ihrer Unfähigkeit abzulenken –, sagte Maurynna: »Das wird ein magerer Winter.« Denn, obwohl dies zweifellos nicht das gesamte Vieh des Drachenhorts war, war es ein großer Teil davon.
Aber was sonst konnten sie tun? Die Echtdrachen, die auf der Bergwiese warteten, bevor sie sich auf den Heimweg in den Norden machen würden, waren zu schwach, um selbst zu jagen. Sie mußten essen oder sterben.
»Ja«, stimmte Lleld zu, dann fügte sie hinzu: »Für einige -aber nicht alle. Machen wir uns auf den Weg?«
Während des Rittes zur Wiese fragte sich Maurynna, was Lleld wohl gemeint hatte. Aber sie wagte nicht zu fragen. Bei einigen Dingen war es sicherer, sie nicht zu wissen – zumindest wenn es um Lleld ging.
16. KAPITEL
Er ist hier; Morien der Seher ist hier. Die Nachricht verbreitete sich im Drachenhort wie der Wind. Raven hörte sie unten im Stall, wo er Chailen, dem obersten Stallburschen, mit einer jungen Stute half, die ihr erstes Fohlen zur Welt brachte.
Die Stute war verängstigt; die Geburt war schwierig gewesen, und nun war sie nicht sicher, wer dieser kleine Fremde dort war. Oder ob sie auch nur etwas mit ihm zu tun haben wollte.
»Schade, daß sie nur ein Pferd und kein Llysanyaner ist«, murmelte der Kir und rieb das Fohlen mit sauberem Stroh trocken. »Denen brauchte man das nur zu erklären. Und wenn sie es immer noch nicht annehmen würden, dann würden sich zweifellos ihre Mutter oder Großmutter oder die Tanten darum kümmern, es ihr auf ihre Weise zu erläutern.«
Raven strich über den Hals der Stute, versuchte sie zu beruhigen und zu ihrem neuen Sohn zu locken. »Verstehen sie wirklich so viel?«
»Ja. Ich will nicht behaupten, man könnte mit ihnen darüber diskutieren, ob es neun Manifestationen der Göttin gibt oder drei oder siebenundzwanzig, womit sich anscheinend einige Gelehrte die Zeit vertreiben, aber alltägliche Dinge … o ja – das verstehen sie. Manchmal viel zu gut.« Und dann sagte er, zu dem Fohlen gewandt: »Nein, du kleiner Dummkopf -nicht das Stroh! Du bist zu jung, um das zu fressen. Bringen wir dich zu deiner Mutter.«
Raven redete weiter beruhigend auf die Stute ein, während Chailen dem schlaksigen Fohlen quer durch die Box half. Die Stute zitterte unter Ravens Hand, blieb aber stehen, während er weiter auf sie einmurmelte.
»Gut, gut, halt sie ruhig«, sagte Chailen leise und führte das Fohlen zu seiner ersten Mahlzeit.
Es gab einen angespannten Augenblick, als die Stute zusammenzuckte, weil sie die gierige Nase an ihrem Euter spürte, aber Raven sang weiter leise liebevoll und ermutigend auf sie ein. Er erkannte den Augenblick, in dem sie das Fohlen akzeptierte; einen Moment lang war sie noch wie erstarrt unter seinen Händen, im nächsten entspannte sie sich und wieherte ihrem Kind
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