Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
Menge lachten. Es war kein freundliches Lachen. Raven schluckte seine Angst hinunter und zwang sich, an den Drachenlords, die ihm Platz machten, vorbei nach vorn zu gehen, um sich dem eisigen Blick der Herrin zu stellen.
Er schaute kurz Lleld an, die lautlos flüsterte: Es war den Versuch wert. Danke.
»Er hat recht«, sagte plötzlich eine tiefe Stimme hinter ihm. Raven zuckte zusammen; aus dieser Richtung hatte er keine Unterstützung erwartet. Er schaute über die Schulter zurück.
Aber es war tatsächlich Linden Rathan, der sich aus der Menge drängte, Linden Rathan, der nun neben ihn trat und so laut sprach, daß alle ihn hören konnten, während sie weiter auf die Herrin der Drachenfestung zugingen.
Vor ihr blieben sie stehen. Linden wandte sich zur Versammlung um. »Ich habe gesehen, wovon Raven gesprochen hat, und es könnte tatsächlich genügend Spektakel sein, um eine gute Vorstellung abzugeben. Es braucht Jahre intensiver Ausbildung, einem gewöhnlichen Pferd die Bewegungen beizubringen – und neun von zehn Pferden schaffen es nie über ein bestimmtes Niveau hinaus. Deshalb sieht man auch keine Gaukler, die so etwas vorführen. Normalerweise haben diese Truppen bestenfalls ein Pferd, das gelernt hat zu zählen oder sich auf Befehl hinsetzt – einfache Tricks dieser Art. Aber mit Llysanyanern … es wäre leicht, ihnen zu erklären, was notwendig ist, und etwas mit ihnen zusammen auszuhecken. Und man müßte sie dabei nicht einmal reiten.« Linden Rathan schob die Daumen in seinen breiten Ledergürtel. »Denkt doch nur, wie beeindruckend das aussehen würde.«
Raven wagte einen Seitenblick; er schaute direkt in Linden Rathans dunkelgraue Augen. »Danke, Drachenlord«, murmelte er.
Ein Lächeln umspielte die Mundwinkel des Drachenlords. »Es ist eine gute Ergänzung von Llelds Plan, Raven«, sagte er ruhig. »Tarina hat recht. Keiner von uns wäre imstande, rasch genug zu lernen, um mehr als eine Vorstellung für eine zweitrangige Bauernkirmes geben zu können. Aber eine Vorstellung mit Llysanyanern … das wäre wirklich ein Anblick. Erinnert Ihr Euch, was Gräfin Ardelis geschrieben hat? Das könnte uns freies Geleit verschaffen, wenn die Jehangli sich tatsächlich so für Pferde interessieren wie wir Yerrins.«
Linden Rathans Worte überraschten Raven. Er betrachtet sich also immer noch als Yerrin; ich hätte angenommen, daß er uns inzwischen vergessen hat, wo er so hoch über uns steht. Irgendwie war ihm dieser Gedanke unbehaglich; es bereitete ihm das unangenehme Gefühl, dem Drachenlord unrecht getan zu haben.
Nein, es war er, der mir unrecht getan hat. Aber der Gedanke nagte weiter an ihm. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Lleld zu.
»Es ist eine wunderbare Idee«, sagte Lleld jetzt. »Genau was wir brauchen; glaub mir, ich weiß es.«
»Ich halte es nicht für klug«, meinte die Herrin.
Morlens großer Kopf ragte über ihnen auf und wandte sich abwechselnd den Sprechenden zu. Es war klar, daß die beiden Frauen den Echtdrachen vollkommen vergessen hatten, obwohl er höflich einen Flügel ausbreitete, um sie vor der Sonne zu schützen. Der rothaarige kleine Drachenlord fuchtelte wild in der Luft herum, und die Herrin, mit ihrer majestätischen Haltung, dem hellen Haar und der bleichen Haut wie die Eiskönigin der Legende, schüttelte den Kopf zu Llelds überhandnehmender Begeisterung. Raven glaubte, ein Zwinkern in dem rubinroten Auge des Echtdrachen zu erkennen.
»Ah«, meinte Linden Rathan leise. »Lady Unruh wird bekommen, was sie will.« Und auf Ravens verwirrtes »Wer?« erklärte er: »Lleld.«
»Lady Unruh«, nun gut, Raven konnte sehen, wieso man sie so nannte. Er grinste über den Spitznamen. »Aber wie kommt Ihr darauf …«
»Morien nickt jedesmal, wenn Lleld – still!«
„Es ist ein guter Plan; der einzige, der vielleicht funktionieren könnte.*
Eine Trauer, die sich in Worten nicht ausdrücken ließ, erfüllte seine Rede und floß über in Ravens Seele. Nie hätte er sich solchen Schmerz vorstellen können. Und diesem Schmerz folgte Bitterkeit: „Anders als unser Plan.*
Raven dachte an all die Echtdrachen, die gestorben waren, um ihren Bruder zu retten. Morlens Trauer spülte wie eine Welle über alle hinweg. Jemand hinter Raven weinte leise; in seinen eigenen Augen brannten ebenfalls die Tränen.
In das bedrückte Schweigen hinein sagte die Herrin: »Aber wer sollte gehen? Wer immer es tut, wird sich in große Gefahr begeben; wenn du recht hast, Seher,
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