Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
nach mehr als hundert Jahren wieder eine Kaiserin in Jehanglan geben würde.
An jenem Abend schaute Otter beim Abendessen über den Tisch und sagte: »Raven hat mir zuvor erzählt, was du planst, Lady Unruh, und du hast mich während des ganzen Abendessens angestarrt. Du brauchst einen Barden für deinen kleinen Plan, nicht wahr?« Er hob den Kelch an die Lippen.
»Ja«, antwortete Lleld sofort. »Danke, daß du dich freiwillig meldest, Otter.«
Als Otter sich an seinem Wein verschluckte, zwitscherte sie: »Denk doch nur daran, welche Lieder du darüber schreiben können wirst – der einzige Barde, der jemals im berühmten Reich des Phönix weilte!«
»Wenn mein Großonkel geht, gehe ich auch«, sagte Raven und schlug selbigen Großonkel auf den Rücken, als der verblüffte Mann weiter hustete und ächzte.
»Also gut!« sagte Lleld. »Jetzt sind wir zu viert – ich, Jekkanadar, Otter und du.« Sie schaute über den Tisch hinweg Linden und Maurynna an. »Wir brauchen noch mindestens zwei weitere Drachenlords und ihre Llysanyaner.«
»Nein«, sagte Linden entsetzt. »Um aller Götter willen, Lleld, Maurynna kann sich nicht einmal verwandeln!«
»Und genau aus diesem Grund muß sie gehen, Linden«, sagte Jekkanadar. »Glaub mir, Lleld und ich haben nach unserer Rückkehr lange darüber gesprochen. Du hast gehört, was Morien zur Herrin gesagt hat – daß es ›eine gibt, die die Antwort zu dem Rätsel darstellte Wer könnte das sein, wenn nicht Maurynna? Weil wir in der Drachenfestung wissen, daß sie unter uns ist, können wir im Geist zu ihr sprechen, obwohl wir ihre Gegenwart nicht spüren. Aber die Priester-Magier der Jehangli werden nichts von ihr wissen, wie sollen sie sie also spüren können, wenn selbst du, ihr Seelengefährte, es kaum kannst?«
»Nein«, erklärte Linden abermals, diesmal verzweifelt, denn das, was Jekkanadar sagte, klang erschreckend schlüssig. »Nein und nochmals nein und …«
»Ja.«
Die leise Unterbrechung ließ ihn erstarren. Verblüfft wandte er sich Maurynna zu. Ihr Gesicht war bleich, ihre Miene entschlossen.
»Ja«, sagte sie wieder. »Ich muß gehen, nicht wahr?«
»Nein, das mußt du nicht«, setzte Linden an. Er sah ihr in die Augen. Ihr Blick war nie so entschlossen, so kalt gewesen.
Sie sagte erneut: »Ich muß gehen«, ohne seinem Blick auszuweichen. Nun hörte er auch einen Hauch Verzweiflung in ihren Worten.
Er verstand. Es ging ihr nicht nur um den gefangenen Drachen. Es ging ihr auch um sich selbst.
Er hätte sich an die Herrin wenden und fordern können, daß sie Maurynna verbot zu gehen, denn er wußte, daß die Herrin nach jeder Möglichkeit suchte, genau dies zu tun.
Aber ihm wurde auch klar, daß dies das einzige war, das er sich nie zugestehen könnte. Maurynna war kein Kind, dem man etwas verbieten konnte, und er war nicht ihr Gefängniswärter. Es stand ihm nicht zu, ihr zu sagen, was sie tun und lassen sollte, wenn es ihr Gefühl von Ehre, von Richtig und Falsch betraf, ganz gleich, wie gefährlich es war, ganz gleich, wie sehr es ihn ängstigte. Es stand ihm nicht zu, ihr Leben für sie zu leben; er war ihr Seelengefährte, nicht ihr Herr.
»Ja, Liebste«, sagte er schließlich. Und dann mußte er zumindest hinzufügen: »Aber ich komme mit!«
Als hätte sie das die ganze Zeit schon geplant, sagte Lleld: »Gut, dann ist das ja in Ordnung. Da Otter aussieht, als wäre er der Älteste, sollte er unser ›Anführer‹ sein …«
Versunken in seinen Ängsten, hörte Linden nur mit einem Ohr zu, als Lleld weiter über ihre Pläne schwatzte. Maurynna lauschte konzentriert.
Die Götter mögen ihr helfen, sie kann sich nicht einmal verwandeln! Was hat Morien sich dabei gedacht?
Er hatte nur noch eine letzte Hoffnung »Vergeßt nicht – es mag sein, daß die Herrin noch zu allem ›nein‹ sagt«, meinte Linden.
»Die Herrin vielleicht«, erwiderte Lleld. »Aber Morien nicht. Du wirst schon sehen.«
17. KAPITEL
Hast du noch einmal nachgedacht, Jessia?* Die Stimme war sanft, aber entschlossen. Sie konnte sie nicht ignorieren, sosehr sie es auch wollte. Statt dessen kämpfte sie damit, versuchte auszuweichen, versuchte Zeit zu gewinnen, versuchte …
Sie war nicht einmal sicher, wonach sie suchte. Diese Unentschlossenheit beunruhigte sie; es war neu für sie. Sie tadelte sich selbst: Du bist die Herrin der Drachenfestung; du kannst dir so etwas nicht leisten.
Und dann zu dem Echtdrachen: Ihr habt mir nicht viel Zeit zum Nachdenken
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