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Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix

Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix

Titel: Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Bertin
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auferlegt. Entschlossen kniff sie die Lippen zusammen und riß das Tuch weiter zurück, enthüllte den ganzen Griff mit den darumgewickelten Lederbändern, die so ausgetrocknet waren, daß sie sich auflösten, als der grobe Stoff dagegen rieb.
    Dann blieb der Stoff an etwas hängen, das um den Handschutz gewickelt war. Maurynna zupfte ihn weg und starrte etwas an, das wie ein großer, unvollständiger Ring aus schwarzem Metall aussah. Die Enden waren, wie sie sah, als sie den Gegenstand von Schwert und Tuch löste, bearbeitet. Ein winziges rotes Glitzern blinzelte ihr zu.
    Einen Augenblick lang wagte sie kaum zu atmen. Sie rieb mit dem Tuch über eines der Enden; sie wußte nun, was sie in der Hand hatte. Tränen brannten ihr in den Augen.
    Langsam befreite sie den Kopf eines Silberdrachen von den Spuren der Jahrhunderte. Eines der Rubinaugen fehlte, aber das andere leuchtete tapfer im Feuerlicht.
    Nun liefen ihr die Tränen über die Wangen. Nach allem, was sie gehört hatte, hatte die Menschenseele Dharm geplant, ihr eigenes Leben aufzugeben und die Drachenseele Varleran als Echtdrachen weiterleben zu lassen. Wieso hatte Varleran also diese Erinnerungen an Dharms Leben mitgenommen? Echtdrachen hingen nicht an Besitztümern wie Menschen. Hatte Dharm es sich anders überlegt? Oder war das Gehenlassen einer Seele für die von ihrer Art nicht wie das Schließen einer Tür, rasch und endgültig, sondern statt dessen ein langes Davontreiben, wie jemand in einen Traum gleitet?
    Sie fuhr mit den Fingerspitzen über die Biegung des Halsreifs. Dieser Reif war schon alt gewesen, als Linden vor mehr als sechshundert Jahren zur Welt gekommen war. Für ihre jämmerlichen zwei Jahrzehnte des Lebens war das so alt wie die Erde selbst.
    Sie hob den Ring hoch und betrachtete ihn genauer. Welche Geschichten würde er erzählen, wenn er sprechen könnte? Welche Hoffnungen und Träume waren vor so langer Zeit gestorben? Sie konnte beinahe ihr Echo spüren.
    Shima regte sich und legte ein weiteres Scheit ins Feuer, dann noch eins; die Flammen sprangen höher; weder er noch die anderen stellten Fragen oder verlangten nach Antworten. Die gewaltige Stille ihres Landes hallte in ihnen wider. Maurynna war dankbar dafür.
    Aber sie hatte eine Frage. Nur – sie hatte noch nicht den Mut – nicht jetzt.
    Es gab etwas, was getan werden mußte, und keine Möglichkeit, es zu tun, es sei denn, indem man die Hölle durchquerte. Sie fragte sich, ob die Tah’nesieh es akzeptieren würden. Maurynna richtete sich kerzengerade auf. Die Wärme des Feuers trocknete ihre Tränen.
    »Das hier war Dharm Varlerans …« Sie konnte nicht das richtige Jehangli-Wort für »Halsreif« finden, falls es tatsächlich eins gab. »Rangabzeichen.«
    »Das ist es also. Miune und ich haben uns das immer gefragt«, sagte der Schamane leise. Er und der junge Drache nickten einander zu, als wollten sie sagen: Jetzt wissen wir es.
    Würden sie ihre nächsten Worte ebenso ruhig entgegennehmen? »Es muß zurück zur Drachenfestung gebracht werden.«
    „Selbstverständlich*, sagte Miune.
    Zhantse nickte. »Ich verstehe.«
    Sie mußte ihn verblüfft angestarrt haben, denn er fuhr fort: »Dieses Bündel hat nie zu den heiligen Gegenständen meines Volkes gehört; es wurde uns nur anvertraut. Wir waren nur seine Hüter, bis die rechte Zeit gekommen war.«
    Die rechte Zeit. Sie werden es also nicht wieder verstecken wollen.
    Sie schluckte. »Zhantse – was genau muß ich tun?«
    Es war Mitternacht im Eisentempel. Hodai ging zu Pah-kos Zimmer, um nachzusehen, ob sich der Nira an diesem Abend vielleicht gut genug fühlen würde, um zur Zeremonie zu gehen.
    Aber Pah-ko schlief, und Hodai wollte ihn nicht stören. Er zupfte die Decken zurecht und schlüpfte wieder nach draußen. Als er auf die Veranda des Nira heraustrat, löste sich eine Gestalt aus dem Schatten. Es war Haoro.
    Hodai grunzte entsetzt. Was wollte der Priester jetzt? Er wich einen Tritt zurück und hob die Hände, als wolle er einen Schlag abwehren.
    »Warum solche Angst, kleiner Hodai? Ich wollte dir sagen, daß ich heute abend meinen Teil unseres Handels einhalten werde. Komm nach der Mitternachtszeremonie in den Nordturm, denn heute nacht gebe ich dir deine Stimme.«
    Verblüfft blieb Hodai wie erstarrt stehen, als Haoro an ihm vorbeirauschte. Ein schwaches Echo einer wunderschönen Stimme erklang in seinen Ohren.
    Sie würde endlich ihm gehören …
    Hodai konnte es kaum erwarten, daß die Zeremonie zu Ende

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