Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
nach zu schließen eine Frage. Maurynna hatte das Gefühl, daß hinter den knappen Worten eine Spur von Sorge lag. Aber worum auch immer es gehen mochte, Shimas vergnügte Antwort wischte die Sorge beiseite, woraufhin Zhantse einen Augenblick lang skeptisch dreinschaute, als wolle er sagen: »Das liegt in deiner Verantwortung«, bevor der Schamane nickte und weiterging.
Und worum ging es da? fragte sie sich und ging tiefer in den Berg hinein. Über die Schulter warf sie einen Blick auf Shima. Er sah nicht aus wie jemand, der schreckliche Geheimnisse wahrte; er schien sich einfach nur darauf zu konzentrieren, auf dem unebenen Boden einen sicheren Weg zu finden.
Also gut, hier würde sie keine Antwort erhalten. Sie ging weiter und berührte dabei mit einer Hand die Wand. Dann schaute sie nach oben und bemerkte, daß Wände und Decken des Tunnels schwarz vor Ruß waren. Wie viele Generationen von Schamanen sind hier entlanggegangen , überlegte sie, über wie viele …
Bevor sie den Gedanken zu Ende führen konnte, betraten sie eine große Steinkammer. Nach nur ein paar Schritten mußte sie stehenbleiben. Mauern und Decken waren bemalt, eine Explosion bunter, komplizierter Muster, die, wie sie hätte schwören können, sich bewegten, wann immer sie eines fixierte. Ihr wurde schwindelig.
»Ihr Götter!« rief sie und senkte den Blick. Sie war erleichtert zu sehen, daß der Boden vom schlichten, matten Rot des hiesigen Felsens war.
Als sie wieder aufblickte, hatten die Muster entweder entschieden, sich zu benehmen, oder ihre Augen hatten sich angepaßt, denn das schnelle Gewirbel hatte aufgehört. Dennoch, dies war kein angenehmer Ort. Ein rascher Blick zeigte, daß die Höhle leer war, bis auf einen Stapel frischer Fackeln und ein paar Wandhalter. Sie konzentrierte sich auf Miune und Zhantse, die nebeneinanderstanden, an dem anderen, viel schmaleren Ausgang auf der gegenüberliegenden Seite der Kammer.
Shimas verblüfftes »Ha!« hinter ihr versicherte ihr, daß sie nicht die einzige war, die diese Höhle verwirrte. Shima taumelte, als er die Fackel, die er trug, in den nächsten Halter steckte.
»Wäret ihr nicht mit uns zusammen«, sagte Zhantse und zeigte mit der freien Hand auf Miune und dann auf sich selbst, »würdet ihr jetzt am Boden liegen und überzeugt sein, daß ihr den Verstand verloren hättet. Und wenn ihr nicht schnell genug wieder ginget, würde das auch passieren. Denn hinter dieser Kammer liegen Dinge, die nicht alle sehen dürfen.«
»Das, was der Drache mitgebracht hat?« fragte Shima.
»Und anderes«, erwiderte Zhantse ruhig. Er wandte seinem Trommler den Blick zu, wie ein Schwert zusticht.
»Ich verstehe, Meister«, sagte Shima demütig. »Ich werde nichts davon sagen.«
’Gut, denn sonst müßte ich dich schubsen* Miune klang ein wenig enttäuscht, daß er keine Rache für das Fühlerkneifen haben sollte.
»Von hier aus muß ich alleine weitergehen«, sagte Zhantse. »Nur ein Schamane oder Miune darf über diese Stelle hinausgehen, und er ist inzwischen zu groß für den Durchgang.«
Maurynna sah zu, wie der Schamane eine Hand an die Seite der geheimnisvollen Öffnung legte und leise und mit gesenktem Kopf etwas rezitierte. Als Antwort darauf erklang ein Summen wie das Flüstern des Windes durch Harfensaiten. Als es erstarb, betrat Zhantse die Passage, und seine Stimme hob und senkte sich in der Rezitation. Maurynna sah das Licht seiner Fackel und hörte ihn noch eine Weile; dann ging beides abrupt zu Ende, als hätte der Schamane diese Welt und alle Wahrnehmung verlassen.
In diesem seltsamen Land ist es durchaus möglich, daß er das getan hat. Bei dem Gedanken überlief sie ein Schauder.
*Es wird eine Weile dauern*, sagte Miune und durchquerte die Kammer. *Es gibt Orte, an denen er beten und die heiligen Pollen opfern muß, die er dabeihat* Der Wasserdrache ließ sich auf dem Boden nieder.
Shima setzte sich zu ihm. Maurynna unterdrückte ein Seufzen und setzte sich ebenfalls. Dieser Raum machte sie unruhig; sie sehnte sich danach, den Nachthimmel wieder zu erblicken.
Niemand sagte ein Wort. Und während das Schweigen sich hinzog, wurde Maurynna sich mehr und mehr der Magie bewußt, die in die Felsen rings um sie eingedrungen war. Sie juckte, aber sie konnte sich ebensowenig innerhalb des Kopfes kratzen, wie sie übers Wasser laufen konnte. Also biß sie die Zähne zusammen und zwang sich, es zu ertragen.
Raven klatschte den Rhythmus der Trommeln, als er mit Lerche und ihren
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