Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
ein Dämon griffe sie an.
Die ängstlichen Schreie der Soldaten waren alles, was die Sklaven brauchten.
»Jetzt!« rief Amura. Die Männer brüllten ihren Haß, ihren Zorn, ihren Rachedurst heraus und drängten vorwärts.
Einige waren immer noch nicht bewaffnet; das war gleich. Ihre Körper waren ihre Waffen. Mit bloßen Händen griffen sie die Soldaten an, kratzten Augen aus, hielten den Schwung von Schwertern auf, rissen Schildarme nach unten, so daß ihre Kameraden eine Klinge in die Gelenke der Rüstung stoßen konnten. Daß sie selbst starben, bedeutete nichts; sie waren schon seit vielen Jahren tot gewesen.
Das Ende kam plötzlich. Einen Augenblick lang herrschte noch der Tumult der Schlacht rings um ihn her, der Klang von Schwertern gegen Schwerter, das leise verzweifelte Grunzen von Männern, die um ihr Leben kämpften, Zornes- und Schmerzensschreie; im nächsten Augenblick herrschte eine so tiefe Stille, daß Amura sich einen Herzschlag lang fragte, ob er tot oder taub war.
Dann hörte er das Stöhnen der Verwundeten. Er kam zu sich. Zu viele Männer, die seine Freunde geworden waren, lagen tot oder sterbend auf dem heißen, roten Boden des Tals. Aber neben ihnen lagen die Soldaten, die nach dem Angriff des Drachen noch übriggeblieben waren – sämtliche Soldaten.
Mit ungelenken Bewegungen ließ Amura den Speer fallen und griff nach Schwert und Schild. »Nehmt ihre Waffen. Wir stürmen den Tempel.«
Ungläubig starrten die anderen ihn an. Den Tempel stürmen? fragten ihre Blicke. Aber das war eine unerhörte Ketzerei …
»Ja!« brüllte jemand, und die anderen griffen den Schrei auf. Sie schwärmten über die Leichen wie Ameisen. Amura sah zu, wie sie sich bewaffneten.
Der verrückte Senwan lag am Boden des größten Leichenhaufens. Sein Körper war beinahe bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt, aber ein friedliches Lächeln lag auf seinem zerschlagenen Gesicht.
»Er hat sie gefunden«, sagte Chuchan. Seine Stimme brach; er räusperte sich laut. Mit einem herausfordernden Blick zu Amura stülpte er sich einen Helm über den Kopf und stapfte davon.
Sie folgten Pirakos, so schnell sie konnten. Einmal sahen sie ihn weit entfernt, aber ganz gleich, wie sehr sie sich anstrengten, sie konnten ihn nicht einholen. Statt dessen wurden ihre Flügel schwerer; jeder Flügelschlag wurde langsamer, und die Entfernung zwischen ihnen und dem Gejagten wuchs, bis Pirakos nur noch ein Fleck am Horizont war. Dann verschwand sogar dieser.
Sein Wahnsinn verleiht ihm Kraft, erkannte Maurynna schließlich, während sie versuchte, ihre schmerzenden Flügel zu ignorieren, obwohl er seit mehr als tausend Jahren nicht mehr geflogen ist. Aber wir sind zu unerfahren, um lange eine solche Geschwindigkeit halten zu können.
Tatsächlich gerieten Shimas Flügel nicht lange danach aus dem Rhythmus, und er »stolperte« in der Luft. Er fing sich wieder, aber Maurynna wußte, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis einer von ihnen in den Tod stürzte.
Segle! rief sie und hoffte, damit durch den Schleier der Erschöpfung zu brechen, der Shimas Augen überzog. Wir müssen landen und uns ausruhen.
Shima fauchte, stimmte ihr aber zu. Mit ausgebreiteten Flügeln glitten sie abwärts. Kurz bevor sie landeten, sagte Maurynna: Verwandle dich nicht.
Warum nicht?
Weil wir uns vielleicht nicht wieder zurückverwandeln können. Linden hat mir einmal gesagt, wenn ein Drachenlord zu krank oder zu müde ist, kann er sich nicht verwandeln. Es ist ein Versuch unserer Magie, uns zu beschützen.
Und sie wagte es auch nicht, weil sie befürchtete, sich dann nie wieder in einen Drachen verwandeln zu können. Sie konnte immer noch nicht glauben, daß diese Hölle endlich vorüber war.
Beide landeten mit einem heftigen Ruck. Maurynna stöhnte leise und sank zu Boden. Morlens Bericht von dem unglücklichen Angriff der Echtdrachen fiel ihr wieder ein; sie stellte sich vor, wie sie alle auf dem Boden gesessen hatten, erschöpft und verwundet und krank vor Trauer. Dann wandte sie sich von diesen Bildern ab.
Es dauerte beinahe einen ganzen Kerzenabschnitt, bis sie das Schweigen brach. Sie hatte immer noch tausend Fragen an Shima, aber nur eine mußte jetzt beantwortet werden. Was meinte Pirakos mit »der erste Stein fällt«?
Einer der anderen Drachenlords muß einen der Schutzsteine umgestürzt haben, würde ich sagen. Wenn die anderen ebenfalls fallen …
Dann ist der Phönix frei. Maurynna dachte darüber nach und fügte hinzu, was sie über
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