Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
Phönix zu befreien, aber ist es auch das klügste? Nichts ist nur Schwarz oder Weiß, mein armer naiver Kaiser, ganz gleich, wieso du dir das wünschst, dachte sie traurig.
Er dachte darüber nach, und sie schöpfte wieder Hoffnung. Einstmals hatte sie davon geträumt, frei von Xiane zu sein; nun …
»Das war früher so, Shei-Luin, zu Zeiten der Unruhe. Die Welt hat sich verändert. Dies ist eine Entscheidung, die alle akzeptieren und respektieren werden. Du wirst sehen.«
Sie mußte wie ein Schwert sein, hart und kalt, und das entzündete Glied abhacken, damit sich der Wundbrand nicht ausbreitete und der ganze Körper starb. Innerlich weinend, griff Shei-Luin nach oben und löste die Schnüre von Xianes Gewand, denn es bestand aus schwerer Seide und würde zu viel Schutz bieten. Während der ganzen Zeit lächelte er sie an wie ein Kind, das auf seine liebste Süßspeise wartete.
Sie standen zu fünft vor Yemal und einigen Männern, darunter Dzeduin, in einem Zelt, das neu aufgeschlagen war. Es war, wie Linden bemerkte, größer als die anderen und mit seltsamen Symbolen bemalt, wie er sie noch nie gesehen hatte. Kräuterbündel hingen von den Zeltstangen, und der duftende Rauch aus dem Kohlebecken in der Mitte kribbelte Linden in der Nase. Die alte Frau, von der Linden nun wußte, daß es sich um Ghulla handelte, die Seherin der Zharmatianer, saß auf einem niedrigen geschnitzten Hocker auf der Seite. Sie starrte geradeaus wie in eine ganz eigene Welt. Linden nahm an, daß sie sich in ihrem Zelt befanden.
»Zunächst«, sagte Yemal auf Jehangli, »werde ich mich um die Angelegenheit dieser … Gaukler kümmern. Hat Ghulla recht – seid ihr tatsächlich Drachenlords? « – Er stolperte über das unvertraute Wort. »Aus dem Norden?«
»Seid nicht albern«, meinte Lleld. »Warum? Weil wir mit Fackeln jonglieren? Das ist dort, wo wir herkommen, ein uraltes Kunststück. Haben die Jehangli-Jongleure nicht den Mut, es zu versuchen?«
»Feuer schadet Drachenlords nicht«, sagte die alte Frau mit einer Stimme, die knarrte wie Äste im Wind. »Und drei von euch hier sind Drachenlords – das habe ich in einer Vision gesehen.« Sie drehte sich um; die blicklosen Augen richteten sich auf Linden. »Die vierte nähert sich Nisayeh, dem Roten Land.«
Linden hielt den Atem an.
Das Gewand fiel in einer goldenen Pfütze zu Boden. Xianes leichtes Untergewand folgte. Nun stand er nur noch in Kniehosen gekleidet vor ihr. Sie trat ein paar Schritte zurück, zum Rand der Schlucht, als wollte sie ihn locken, und zog ihr Obergewand aus. Es würde sie zwar ein wenig vor dem, was auf sie zukam, schützen, aber das Gewicht würde sie zu sehr verlangsamen.
Als ihr Gewand seinerseits aufs Moos fiel, warf Shei-Luin wie zufällig einen Blick in die Klamm. Sie hatte diesen Augenblick zwar tausendmal geplant, aber ihre Entschlossenheit verließ sie dennoch beinahe.
Dort unter ihr kennzeichnete ein weiterer Seidenstreifen ein Loch im Boden. Ein Sonnenstrahl glitzerte auf den Insektenflügeln darin. »Herr«, sagte sie und haßte sich dafür, »was ist das da?«
»Was ist was?« fragte Xiane und kam näher, um nachzusehen.
Er stand neben ihr am Rand der kleinen Schlucht und spähte abwärts. Vorsichtig ging sie einen Schritt zurück.
»Was hast du gesehen, kostbare Blü …« Mit einem erschrockenen Keuchen hielt er inne. »Shei, wir müssen …«
»Es tut mir leid, Xiane«, flüsterte sie und versetzte ihm einen Stoß.
Mit einem Schrei, der ihr Blut zum Gefrieren brachte, verschwand Xiane in der Klamm. Shei-Luin wäre beinahe ohnmächtig geworden und taumelte ein paar Schritte rückwärts.
Sie hörte das ekelerregende Geräusch, mit dem Xiane am Grund der Klamm aufprallte, hörte, wie er nach ihr rief; dann hörte sie das tiefe, zornige Summen, das sich zu einer Woge von Geräuschen erhob, die alle anderen Laute erstickte – alles, bis auf Xianes entsetzte, gequälte Schreie, die weiter und weiter erklangen und ihr ins Herz drangen wie Messerstiche.
Dann hörte sogar das auf. Shei-Luin fiel auf die Knie, schrie, weinte, raufte sich das Haar, kratzte sich das Gesicht mit den Fingernägeln auf und verfluchte das grausame Schicksal, das sie gezwungen hatte, eine Wahl zu treffen zwischen ihren Kindern und einem Mann, den sie gerade erst wirklich kennenzulernen begann.
Ein Schmerz wie von einer heißen Zange verbrannte ihre Wange. Sie schrie auf und schlug mit der Hand darauf. Als sie die Hand zurückzog, fiel eine tote rote Biene
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