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Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix

Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix

Titel: Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Bertin
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der verängstigten Männer und Pferde drehte ihr den Magen beinahe um.
    Sie begann sich zu fragen: Wieviel Pferde hat er – dann schob sie den Gedanken weg.
    Schaudernd, aber nicht von der kalten Nachtluft, setzte sie sich aufrecht hin. Maurynna versuchte langsam und gleichmäßig zu atmen und ihre Angst wegzuschieben.
    Er kämpft in einem Krieg, der vor langer Zeit begann und nicht von denen seiner Art begonnen wurde.
    Woher immer dieser Gedanke kommen mochte, er beruhigte sie. Miune Khin hatte nicht aus Blutgier getötet, sondern weil er hatte töten müssen. Er hatte keine Freude daran gehabt; da war sie sicher. Er hatte es getan, um sie und Raven zu schützen. Und das war ihm gelungen, denn sie wären ansonsten jetzt tot – wenn sie dieses Glück gehabt hätten. Der Gedanke, wie nah sie daran gewesen war, Tarens Gefangene zu werden, ließ sie schaudern.
    Mit einem solchen Verbündeten schien die Aufgabe, die vor ihnen lag, plötzlich nicht mehr so unmöglich zu sein. Das war nicht vernünftig, sie wußte das; der kleine Wasserdrache würde am Ende nicht mitkommen und ihr helfen können. Aber es tröstete sie dennoch. Maurynna senkte einen Augenblick lang den Kopf und hauchte ein lautloses Gebet, daß alles gutgehen mochte, dann legte sie sich wieder hin und fragte sich, was der nächste Tag wohl bringen würde.
    Die Beisetzung war ein Alptraum. Shei-Luin durchlebte sie wie jemand, der im Zauber eines Fuchsgeists gefangen sitzt.
    General V’Choun hatte nicht zugelassen, daß sie Xianes Leiche sah, als man ihn schließlich aus der kleinen Schlucht geborgen hatte, und die Priester hatten Xiane sofort davon-getragen. »Behaltet ihn in Erinnerung, wie er war, Herrin«, sagte der alte General durch seine Tränen und führte sie sanft weg.
    Nun lag die sterbliche Hülle des Kaisers von Jehanglan auf dem unteren Altar in jenem Tempel, wo Xiane ihr noch vor so kurzer Zeit geholfen hatte, ihre Krönung zu überstehen. Neun Tage lang würde sie dort liegen, bewahrt von der Macht des Phönix, bedeckt von einem Umhang aus schwerer, goldener Seide. Teuerstes Räucherwerk brannte an allen Ecken des Altars.
    Neun Tage hielt Shei-Luin dort Wache, von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang, denn in der Morgendämmerung des zehnten Tages würde Xiane Ma Jhi zum Phönix gehen, und seine Asche würde zu der seiner Ahnen in der Gruft unter dem Altar gebracht werden.
    Diese Tage waren friedlich gewesen. Shei-Luin kniete neben dem Altar, nahe Xianes Kopf, und versuchte nicht zu denken.
    Die Nächte … die Nächte waren höllisch. Denn Nacht um Nacht kam Xiane in ihren Träumen zu ihr. Manchmal sah er so aus, wie sie sich an ihn erinnerte, mit seinem langen Pferdegesicht und den großen Zähnen. Manchmal, in den schlimmsten Träumen, war sein Gesicht geschwollen, als hätte jemand Steine unter die Haut geschoben. Seine Augen quollen grotesk vor, als er sie ansah und sie wußte, daß dies der Anblick war, den V’Choun ihr hatte ersparen wollen.
    Aber davon abgesehen war jeder Traum derselbe: Xiane stand in einem Nebel, der ihn mit grauen Fingern umschlang, weinte und fragte: »Warum? Warum hast du mich getötet, kostbare Blüte? Ich habe dich geliebt – wußtest du das nicht?«
    »Ich mußte es tun, Xiane; es tut mir leid, aber es mußte sein. Was du vorhattest, hätte die Jungen das Leben gekostet.«
    Jedesmal wollte sie weinen, aber es kamen keine Tränen. Jedesmal versuchte sie, ihn um Verzeihung zu bitten, aber die Worte erstarben ihr auf der Zunge.
    Dann verblaßte er, obwohl seine Stimme noch lange genug blieb, um zu sagen: »Alles wäre gutgegangen, Shei-Luin; alles wäre gutgegangen.«
    Dann wachte sie auf, zu erschüttert von Trauer und Reue, um wieder schlafen zu können.
    Und nun war es beinahe vorüber, an diesem, dem zehnten, Morgen ging Shei-Luin zum letzten Mal zum Tempel. Sie kam vor der Morgendämmerung und erschreckte die Priester, die während der Nacht gewacht hatten.
    Der Oberpriester selbst kam zu ihr, ganz beflissenes Mitgefühl. »Kaiserliche Majestät, Ihr braucht heute keine Wache zu halten. Tatsächlich brauchtet Ihr heute überhaupt nicht hier zu sein.« Er schien verärgert, daß sie einen solchen Fehler gemacht hatte.
    »Ich weiß«, sagte Shei-Luin. Ihre Stimme zitterte; im Augenblick war es ihr ausnahmsweise gleich, daß jemand diese Schwäche sah. »Ich bin gekommen, um mich von Xiane zu verabschieden.«
    »Selbstverständlich«, sagte der Priester, plötzlich sanfter. »Mir war nicht klar,

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