Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
nicht weinen; sie und Linden waren nicht die einzigen Seelengefährten, die je getrennt gewesen waren. Außerdem würde sie sich dumm fühlen, wenn sie vor einem Fremden weinte.
»Ist etwas nicht in Ordnung, Herrin?« Shimas Stimme war sanft, aber es genügte beinahe, ihre Entschlossenheit zu brechen. Sie schluckte, dann antwortete sie: »Ich vermisse meinen Seelengefährten Linden. Ich weiß nicht einmal, was …«
Sie hielt inne und lauschte. Hatte sie wirklich -ja, da war es wieder. Ein seltsames, schlurfendes Geräusch, das mit jedem Augenblick näher kam. Sie stand auf.
»Raven, zieh deinen Dolch«, sagte sie angespannt. »Da kommt jemand.« Ihre Müdigkeit verschwand bei der Andeutung einer Gefahr, sie sprang auf und zog ihren eigenen Dolch mit einer Geschwindigkeit, die den Tah’nehsieh erstaunt aufkeuchen ließ.
Shima sprang ebenfalls auf, den Bogen in der Hand.
Sie standen Schulter an Schulter, dem Eingang des Lagers zugewandt, Maurynna und Raven mit gezückten Dolchen, Shima mit einem Pfeil aufgelegt, die Sehne gespannt.
Nun konnte Maurynna leises Grunzen und schweres Atmen hören. Was immer es war, es war groß; ein Tier? Sie wappnete sich für einen Angriff.
*Shima, mußtest du unbedingt hierherkommen? Du weißt, daß diese Biegungen und Wendungen – oje! Ich habe mir wieder eine Schuppe verkratzt!*
Direkt nach der jammernden Gedankenstimme streckte Miune den Kopf um die letzte Kurve des Durchgangs und fuchtelte verärgert mit den Fühlern. Der Rest folgte in einem watschelnden Schlurfen. Schnaubend kam er zu ihnen und blinzelte beim Anblick der Waffen überrascht.
Ganz schwach vor Erleichterung steckte Maurynna den Dolch wieder ein und lachte. Raven entspannte sich zwar nicht vollständig, senkte aber seinen eigenen Dolch; er starrte Miune an, der seinerseits von Ravens rotem Haar vollkommen fasziniert schien.
Der Drache schlurfte einen zögernden Schritt oder zwei weiter vorwärts und streckte einen Fühler aus, um vorsichtig mit einer Locke davon zu spielen. Raven blieb mit weitaufgerissenen Augen reglos stehen.
Shima lockerte vorsichtig die Bogensehne und steckte den Pfeil wieder in den Köcher. Er wischte sich die Stirn. »Miune!« sagte er. »Weißt du überhaupt, wie nah ich daran war, dich zu erschießen? Das nächste Mal …«
Miune wandte ihm ein rubinrotes Auge zu. *Das nächste Mal kommst du nicht hierher*, sagte der Wasserdrache friedlich. *Ich kann nicht gleichzeitig reden und versuchen, mir nicht die Schuppen aufzukratzen.* Er betrachtete kläglich seine Seiten. Die Ausbuchtung, die Maurynna zuvor bemerkt hatte, war geringer geworden, aber immer noch zu sehen.
»Du hättest an diesem Tag nicht soviel essen sollen«, sagte Shima geheimnisvoll.
Maurynna fragte sich, wovon er sprach, aber es war vermutlich unhöflich zu fragen.
Miune winkte mit dem Fühler ab. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Raven zu. *Du bist Raven, nicht wahr? Du bist doch kein, äh, uhm … * Der Fühler zuckte und fand dann seinen Weg in den Mund des jungen Drachen.
»Nein«, fauchte Raven, nun nicht mehr staunend. »Ich bin kein Dämon. Ich habe nur rotes Haar.«
»Selbstverständlich ist er kein Dämon«, sagte Shima gereizt. »Zhantse würde mich doch nicht einem Dämon hinterherschicken.«
Miune schien nicht vollkommen überzeugt.
Shima zuckte die Achseln und wandte sich dem Feuer zu. »Wir waren gerade am Essen. Setz dich zu uns, Störrischer.«
Maurynna und Raven setzten sich wieder ans Feuer, Miune folgte ihnen watschelnd.
*Pyamah-Kuchen?* fragte der junge Drache.
»Mit Honig«, erwiderte Shima. »Genau wie du sie magst. Meine Mutter hat sie gemacht.«
’Dann verzeihe ich dir meine zerkratzten Schuppen,*
Maurynna verkniff sich angesichts des Großmuts in der Gedankenstimme des Drachen ein Lächeln; Miune konnte seine Gier kaum verbergen. Shima schnaubte nur.
Sie sah zu, wie die beiden sich niederließen, und staunte darüber, wie freundschaftlich sie miteinander umgingen. Von Bardengeschichten abgesehen, hatte sie nie von solchen Beziehungen zwischen Echtmenschen und Drachen gehört. Denn ohne ein Wort rollte sich Miune in einen Halbkreis, und Shima setzte sich in die Biegung des aalartigen Körpers und lehnte den Rücken gegen die schuppige Seite des Drachen, als wäre es eine Sessellehne. Ein Fühler wickelte sich um die Schultern des Mannes, wie ein Echtmensch dem anderen den Arm um die Schulter legen würde. Shima packte einen Pyamah-Ku chen aus und steckte ihn Miune in den
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