Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
wartenden Mund. Der Drache kaute gierig.
Die Mahlzeit war lange vorüber. Maurynna lag mit dem Kopf auf den Satteltaschen, müde aber unfähig zu schlafen. Sie schaute ins Feuer und ließ die Gedanken durch ihren Kopf ziehen wie Rauchfahnen im Wind und folgte dabei hin und wieder dem einen oder anderen. Die beiden Männer und der Drache unterhielten sich leise; die Worte des Wasserdrachen waren nur ein Flüstern in ihrem Kopf.
Dann sprang sie einer ihrer Gedanken geradezu an. »Miune«, sagte sie in eine Ruhepause des Gesprächs hinein, »als wir uns begegnet sind, hast du dich in einem breiten Fluß versteckt. Aber Raven und ich haben heute nichts Ähnliches gesehen. Bist du den ganzen Weg über Land gekommen?«
*Nein*, sagte der Drache mit zartem Schaudern. *Das würde meinen Füßen viel zu weh tun. Erinnerst du dich nicht an den Bach – klein, aber tief-, den ihr überquert habt, bevor ihr zu dem ausgetrockneten Bachbett kamt?*
Maurynna stützte sich auf die Ellbogen und sah den Drachen neugierig an. »Ja, aber du bist doch viel zu groß, um dich in einem so kleinen Gewässer zu verstecken.« Sie sah sich noch einmal genau die ganze Länge des Drachen an.
*Aber genau das habe ich getan. Ich habe in deinem Geist gesehen, wie groß dein Seelengefährte ist, Maurynna, und ich erinnere mich, was meine Eltern mir von dem Drachen aus dem Norden, dem sie begegnet sind, erzählt haben. Eigentlich sollte es nicht möglich sein, daß die nördlichen Drachen und die von deiner Art fliegen können; ihr seid alle zu groß, aber es gehört zu eurer Magie, daß ihr trotzdem fliegen könnt*, sagte Miune Khin. *Und genauso gehört es zur Magie meiner Art, daß wir unsere Größe verändern können, entsprechend dem Wasser, in dem wir uns befinden*
»Willst du damit sagen, du könntest so weit schrumpfen, daß du in eine kleine Pfütze paßt?« fragte Maurynna. Der Gedanke faszinierte sie.
*Nein; es gibt Grenzen, ebenso wie es Grenzen jux die Flugfähigkeit deiner Art gibt. Selbst als ich frisch geschlüpft war, konnte ich mich nicht in einer Pfütze verbergen. Nun stelle ich fest, daß es Bäche gibt, in deren Wasser ich mich früher verstecken konnte, als ich noch jünger war, und die jetzt nicht mehr groß genug für mich sind. Wenn ich erst meine volle Größe erreicht habe, werde ich zumindest einen sehr großen Bach brauchen – nein, einen kleinen Fluß – oder einen See, um mich vollkommen zu verbergen. Die Alten, die Mächtigsten meiner Art, brauchten so etwas allerdings nicht. Sie konnten reisen, wie eine Wolke reist*
Nun setzte sich Maurynna aufrecht. »Wie meinst du das?«
*Genau, wie ich es gesagt habe. Sie konnten sich in Nebel verwandeln und auf dem Wind reiten wie Wolken.*
Sich in Nebel zu verwandeln – das war doch sicher unmöglich. Dann erinnerte sich Maurynna an die Zeiten, wo sie gesehen hatte, wie die anderen Drachenlords zu Drachen wurden. Zunächst verwandelten sie sich in einen glitzernden roten Nebel, der sich ausbreitete, bis er die Gestalt eines Drachen annahm. Und dann wurde innerhalb von einem einzigen Augenblick der Drache fest und greifbar.
Wenn ein Drachenlord es konnte, warum nicht ein Echtdrache? Und den Prozeß in der Mitte aufhalten? Sicher, die Echtdrachen, die sie kannte, beherrschten das nicht; aber diese Jehangli-Wasserdrachen waren eindeutig von anderer Art. Warum sollte ihre Magie nicht auch anders sein?
»Die Götter mögen uns beistehen«, hauchte sie. »Es wäre möglich.«
Shima sagte: »Sie wurden Djahn N’Tsina genannt – Herren des Regens. Es hieß, daß sie sich zu Zeiten von Trockenheit manchmal der Menschen erbarmten und einen leichten Regen niedergehen ließen, um die Felder zu bewässern und die Quellen und die Brunnen und Flüsse wieder zu füllen. Aber nun …« Er hob die Hand und ließ sie dann fallen, als würfe er etwas weg. »Aber nun sind sie selbstverständlich alle tot, bis auf Miune, und in vielen Teilen Jehanglans ist dies schon das dritte Jahr der Trockenheit. Der Phönix hält es nicht für notwendig, seinem Volk – oder dem Rest von uns – genug Regen für die Felder zu schicken.«
Miune schüttelte heftig den Kopf. *Die Herren des Regens sind nicht alle tot! Das habe ich dir doch schon gesagt. Oolan Jeel schläft auf dem Grund seines Sees!*
»Und einmal hast du zugegeben, daß sogar deine Eltern von Oolan Jeel nur aus Geschichten wußten«, sagte Shima sanft. »Es tut mir leid, mein Freund, aber er ist vielleicht nur eine Legende deiner
Weitere Kostenlose Bücher