Drachenmagier
Wahrheit sprach. Sartan waren nicht
fähig zu lügen.
»Das kannst du nicht
tun!« wandte Haplo sich an Samah. »Du
verurteilst sie zum sicheren Tod!«
»Spiel nicht den
Teilnahmsvollen, Patryn. Es nützt dir nichts. Du wirst bald
wieder mit deinem
›Freund‹ vereint sein, nachdem du uns
alles erzählt hast, was du über diesen
sogenannten Fürsten des Nexus und seine Pläne
weißt.«
Haplo ignorierte ihn
und schaute Alfred an. »Du läßt dich von
ihm ins Labyrinth verfrachten? Einfach
so? Du bist da gewesen, in meinem Kopf! Du weißt, wie es dort
aussieht. Ihre
beide werdet keine zwei Minuten am Leben bleiben.
Kämpfe, verdammt! Ein
einziges Mal in deinem Leben zeig Rückgrat und
kämpfe!«
Alfred wurde blaß und zwinkerte
nervös. »Nein, ich könnte es
nicht…«
»O doch,
du kannst! Grundel hatte recht, du warst der
Drachen, stimmt’s? Du hast
uns auf Draknor das Leben gerettet. Du hast Macht, du bist
mächtiger als Samah,
als irgendein Sartan, der je gelebt hat. Die Drachenschlangen wissen
es,
Drachenmagier nennen sie dich. Er weiß
es. Deshalb will er dich
loswerden.«
»Ich danke dir, Haplo«, sagte Alfred
sanft, »aber selbst
wenn es stimmen sollte, was du sagst, und ich mich tatsächlich
in einen Drachen
verwandelt habe, kann ich mich nicht mehr erinnern, wie das zugegangen
ist.
Nein, es ist schon richtig so. Versuch es zu
verstehen.«
Er legte dem Patryn
eine Hand auf den eisenhart angespannten Arm. »Mein
ganzes Leben lang bin ich
vor mir selbst davongelaufen. Oder in Ohnmacht gefallen. Und den Rest
der Zeit
habe ich damit zugebracht, mich zu entschuldigen.« Er sprach
beinahe feierlich.
»Ich laufe nicht mehr davon.«
»Scheint so«, meinte
Haplo schroff. »In Ohnmacht fallen solltest du ab jetzt auch
nicht mehr. Nicht
im Labyrinth.« Er machte sich grob von ihm los.
»Ich werde daran
denken.« Alfred lächelte.
Der Hund drückte sich
winselnd an ihn und rieb den Kopf an seinem Bein. Er streichelte ihn
zaghaft.
»Paß gut auf ihn auf, alter Freund. Verlier ihn
nicht wieder.«
Ramu trat zwischen sie
und begann die Runen zu singen.
Ketten flammender
Sigel erschienen aus dem Nichts. Ihre Glut blendete Haplo, vor der
unerträglichen Hitze mußte er
zurückweichen. Als er wieder sehen konnte,
versperrten die Runenbarrieren Tür und Fenster.
Die Sartan waren
verschwunden.
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Kapitel 34
Surunan, Chelestra
Haplo legte sich
wieder hin. Er konnte nichts tun als warten. Seine Haut trocknete
langsam, die
Tätowierungen wurden allmählich sichtbar. Es
brauchte Zeit, bis seine
magischen Kräfte ihm wieder zu Gebote standen, Zeit, die er
wahrscheinlich
nicht hatte. Die Sartan würden bald
zurückkehren, um ihn mit Wasser zu
begießen und zu verhören.
Das konnte heiter
werden.
In der Zwischenzeit
war es wohl das Beste, wenn er sich ausruhte. Durch den Verlust seiner
Magie
fühlte er sich schwach und müde. Er fragte sich, ob
es eine wirkliche,
physische Reaktion war oder Autosuggestion. Er dachte auch noch
über viele
andere Dinge nach, während er auf dem Rücken
lag und den bekümmerten Hund
streichelte.
Sartan – Männer und
Frauen – im Labyrinth. Zusammen mit ihren Feinden
dorthin verbannt. Was war
mit ihnen geschehen? Am naheliegendsten war, daß die Patryn
in ihrem Zorn sich
auf sie gestürzt und sie getötet hatten.
Aber wenn nicht?
grübelte Haplo. Wenn diese Erzfeinde sich nun
gezwungen gesehen hätten, ihren
Haß zu begraben und Frieden zu schließen, wenn sie
überleben wollten? Und wenn
sie in den langen, finsteren Nächten beisammenlagen, Trost in
den Armen des
anderen suchten, Erlösung von der Angst? War es
möglich, daß sich vor langer,
langer Zeit, zu Beginn ihres Martyriums, Sartan- und
Patrynblut vermischt
hatten?
Ein unglaublicher
Gedanke. Unvorstellbar. Die Schlußfolgerungen, die
sich daraus ergaben, waren
zu bestürzend.
Seine Hand streichelte
den Kopf des Hundes auf seiner Brust. Das Tier
schloß die Augen, schnaufend
rückte es auf dem Bett dichter an ihn heran. Haplo
war selbst fast
eingeschlafen, als das Universum plötzlich Wellen schlug.
Er riß die Augen auf.
Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, Panik überfiel ihn, jeder
Muskel spannte
sich kampfbereit, und doch blieb er wie gelähmt liegen. Es war
ein Gefühl wie
von den kleinen Wellen, die bei leichtem Wind die
Wasseroberfläche kräuseln,
das von den Füßen her durch seinen ganzen
Körper flutete,
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