Drachenmeister
machen. Der Posten winkte die Karren in Richtung des Wirtschaftshofes. In diesem Moment kam der letzte Wagen etwas zu nahe an die Rampe und ein Rad verfing sich im Geländer. Der Kutscher hieb mit der Peitsche auf das Zugtier ein. »He, das Rad hängt fest!«, rief Piemur und sprang aus seiner Deckung. Er konnte nicht mitansehen, dass ein Tier misshandelt wurde, vor allem wenn es völlig unschuldig war.
Er stemmte sich mit der Schulter seitlich gegen den Karren, bis sich das Rad von dem Hindernis löste. Nebenbei versuchte er, einen Blick unter die Plane zu werfen, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass ausgerechnet an einem Festtag, wo sämtliche Handelsschaften in den Buden und Ständen stattfanden, Waren in die Burg geliefert wurden. Ehe er jedoch etwas entdeckte, hatte der Wagen die Steigung überwunden und rollte weiter.
Gedeckt von dem Planwagen, war Piemur an dem Wachtposten vorbei auf das Burggelände vorgedrungen, ohne es selbst recht zu merken. Der Fuhrmann lenkte seine Tiere in den Hof und sah nicht, dass er einen Helfer bekommen hatte.
Piemur überlegte fieberhaft, wie er diesen glücklichen Zufall zu seinem Vorteil nutzen könnte. Vielleicht gelang es ihm, irgendwie in der Burg zu bleiben, wenn die Fuhrleute ihre Fracht abgeladen hatten und den Hof wieder verließen. Abwarten, wie sich die Dinge entwickeln!, sagte er sich vor. Zumindest konnte er herausfinden, was die Männer hier ablieferten.
Dann erspähte er ganz in der Nähe eine Wäscheleine mit Arbeitskitteln, die in der Frühlingssonne trockneten. Er schlenderte hin, nahm einen der Kittel ab und schlüpfte hinein. Ein wenig feucht war er noch, aber das störte ihn nicht weiter. Und da die Küchenhelfer selten auf peinliche Sauberkeit achteten, würden wohl auch seine verdreckten Stiefel und Hosen nicht besonders auffallen.
»He, du!« Piemur tat, als habe er nichts gehört, aber der Mann, der ihn gerufen hatte, kam näher, und er konnte ihm nicht mehr ausweichen. So setzte er ein dümmliches Gesicht auf und starrte den Fremden verständnislos an. »Gaff nicht, mein Kleiner! Du hast beide Hände frei, also hilf uns beim Tragen!«
Gehorsam trottete Piemur zum Karren und der Fuhrmann lud ihm einen schweren Sack auf. In diesem Moment kam der Küchenaufseher ins Freie gerannt; Piemur beugte sich tief unter seiner Last und schlurfte mit gesenktem Kopf an dem Mann vorbei. Der Aufseher scheuchte eine Schar Küchenhelfer umher und fauchte den Fuhrmann an, weshalb er ausgerechnet jetzt daherkäme. Der Kärrner entgegnete nicht weniger ungehalten, dass er schwer beladene Wagen und langsame Zugtiere habe und obendrein ständig von Karawanen aufgehalten worden sei, die zu diesem verdammten Fest wollten. Meron könne froh sein, dass er überhaupt käme, anstatt auch noch Ansprüche zu stellen!
Der Aufseher legte beschwörend einen Finger auf die Lippen und begann, die Helfer zu organisieren. Er befahl Piemur, seinen Sack in die hinteren Lagerräume zu tragen. Piemur betrat das Küchengewölbe, hatte aber keine Ahnung, wohin er sich nun wenden sollte. So blieb er stehen, wischte sich keuchend den Schweiß von der Stirn und wartete, bis sich jemand an ihm vorbeischob und in den richtigen Korridor einbog.
»Wo soll’n das ganze Zeug noch hin?«, murrte der Mann, als Piemur ihm folgte. »Is doch alles vollgestopft bis an den Rand!«
»Einfach obendrauf!«, schlug Piemur vor.
Im schwachen Schein der Leuchtkörbe warf der Küchenhelfer Piemur einen forschenden Blick zu. »He, dich hab ich hier noch nie gesehn.«
»Is auch nicht gut möglich«, erwiderte Piemur freundlich. »Die haben mich zum Helfen abkommandiert.« Er deutete vielsagend zu den Wohnquartieren.
»Ach so!« Und das mitfühlende Nicken des anderen ließ darauf schließen, dass die Küchenarbeit an einem Festtag eine der scheußlichsten Strafen war, die es gab.
Der Aufseher trieb die Knechte zur Eile an, und so konnte Piemur nur wenige der Siegel erkennen, als er Säcke, Fässer und Kisten in die Lagerräume schleppte. Aber ihm wurde klar, dass die Ware von den verschiedensten Orten stammte. Gerber, Weber und Schmiede hatten ihre Erzeugnisse ebenso geliefert wie die Weinhändler verschiedener Burgen. Als das letzte Bündel in den zum Bersten gefüllten Kammern verstaut war, seufzte Piemur erleichtert. Besel, der Küchenhelfer, der selten von seiner Seite gewichen war, wischte sich ebenfalls den Schweiß von der Stirn. Als sich jedoch Piemur auf einem der Säcke niederlassen und etwas
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