Drachenmeister
Sebell scharf.
»Die Echsen schon - aber kein Mensch beachtete ihre Warnrufe.« Jetzt erst entdeckte Piemur die Herdentiere, die Sebell mitgebracht hatte. Er pfiff durch die Zähne.
»Ah? Gefallen sie dir?«
Das Leittier war vorbeigetrottet, mit blinzelnden, staubgeröteten Augen. Die anderen folgten mit geschlossenen Lidern, eines dicht nach dem anderen. Piemur zählte insgesamt fünf Tiere. Alle standen gut im Fleisch, hatten ein glattes, dichtes Fell und bewegten sich, ohne zu stolpern - ein Zeichen dafür, dass ihre Hufe gesund waren.
»Die lassen sich bestimmt gut verkaufen«, meinte Piemur.
»Hoffen wir’s«, entgegnete Sebell im breiten Dialekt der Gebirgler. Er legte Piemur einen Arm um die Schultern und führte ihn an die Spitze der kleinen Herde. »Hier!« Er reichte dem Jungen eine Feldflasche. »Müsste noch heiß sein. Ich zog erst los, als Kimi mir berichtete, sie habe Lioth vorbeifliegen sehen.«
Piemur bedankte sich für den dampfenden Klah, der die Morgenkälte aus seinen Gliedern vertrieb. Als ihm Sebell dann noch eine Scheibe Trockenfleisch mit Brot anbot, war die Welt für ihn wieder in Ordnung.
Sobald er fertig gegessen hatte, übernahm er freiwillig die Rolle des Hütejungen und begab sich an den Schluss der Herde. Dichte Staubschwaden hüllten ihn ein. Er war sicher, dass niemand mehr an seinem Beruf zweifeln würde, wenn er in Nabol eintraf.
Bei ihrer Ankunft auf dem Festplatz trieb Piemur seine Schützlinge sofort an eine derTränken. Mit viel Mühe ergatterte er einen Platz ganz am Rand; er musste die Tiere in die Nasen zwicken, damit sie ein Stück zur Seite rückten.
»He, Kerl, lass erst mal die Viecher ran!«, knurrte Sebell mit rauer Stimme und blinzelte dann.
»Pah - der Staub lässt einem die Zunge am Gaumen kleben«, maulte Piemur.
Zwei Halbwüchsige kamen mit Eimern zur Tränke, aber sie warteten, wie es Sitte war, bis die Herdentiere ihren Durst gestillt hatten und das kalte Quellwasser wieder klar floss. Piemur und Sebell führten ihre Herde zu einem Areal neben dem Festplatz, das man eigens für den Viehmarkt eingerichtet hatte. Der Burgverwalter, ein Mann mit verkniffenen Zügen und einer Schnupfennase, stürzte sich wie ein Raubvogel auf sie und forderte seine Standgebühr. Sebell zeigte sich empört über die Höhe der Summe, und die beiden begannen, laut zu feilschen. Sebell drückte den Preis um eine ganze Marke, ehe er sich geschlagen gab, aber er widersprach nicht, als ihnen der Verwalter verächtlich den kleinsten Pferch ganz am Ende der Reihe zuwies. Piemur wollte sich schon beschweren, aber Sebell legte ihm warnend die Hand auf die Schulter. Als er dem Harfnergesellen einen verwirrten Blick zuwarf, deutete der kaum merklich nach hinten. Piemur wartete ein paar Sekunden, ehe er sich unauffällig umdrehte. Drei Männer folgten ihnen langsam zu dem kleinen Weidefleck, auf den sie ihre Herde trieben. Einen Moment lang hielt Piemur ängstlich den Atem an, doch dann schloss er aus dem wiegenden Gang der
Fremden, dass es sich um Viehzüchter und somit vielleicht um Käufer handelte.
»Hab ich’s nicht gesagt, dass unsere Biester Prachtexemplare sind?«, prahlte Sebell halblaut.
»Sicher, und wie ich dich kenn, versäufst du den Gewinn gleich wieder«, entgegnete Piemur mürrisch. Er kam mit seiner Rolle gut zurecht. Und er war überzeugt davon, dass Sebell später den betrunkenen Viehhändler spielen würde, weil er dabei Dinge aussprechen konnte, die man einem nüchternen Mann nie verzieh.
Sie trieben die Tiere in den Pferch, und Piemur wurde mit einer abgewetzten Münze zu den Ställen des Herdenmeisters geschickt, wo er um Futter feilschen sollte. Es gelang ihm, den Preis um ein Achtel zu drücken, und er steckte den Überschuss ein, wie es jederTreiberjunge getan hätte. Sebell verhandelte bereits ernsthaft mit einem der drei Fremden, während die beiden anderen die Tiere gründlich untersuchten. Piemur fragte sich, wo Sebell die prächtige Herde aufgetrieben hatte. Sie besaßen zottige Mähnen und abgewetzte Hufe, als hätten sie den Winter über auf Gebirgsweiden gestanden, waren allerdings besser herausgefüttert, als man es von Almvieh im Frühjahr erwarten konnte. Also kauerte Piemur in einem Winkel nieder und hörte sich Sebells Erklärungen an.
Jeder Harfner verstand es, Geschichten zu erzählen. Sebell allerdings schien ein Meister seines Fachs, und Piemurs Bewunderung wuchs, als der Geselle den aufmerksam lauschenden Fremden sein angebliches
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