Drachenmeister
in Windeseile zu Baron Merons Gemächern gebracht. Einmal glaubte Piemur schon, man würde ihn nach oben schicken, aber dann entschied der Koch, dass er viel zu schmutzig war, um Speisen zu berühren.
Stattdessen musste er im Keller nach Ersatzleuchtkörben stöbern, weil Baron Meron mehr Licht beim Essen wünschte. Dreimal schleppte er sich ab, bis die Helligkeit endlich ausreichte. Dann kamen die ersten Platten und Teller zurück und das Gesinde stürzte sich auf die Überreste. Piemur ergatterte einen Knochen mit viel Fleisch, schnappte sich eine Handvoll Brotschnitten und zog sich in den dunkelsten Winkel des Küchengewölbes
zurück. Er verschlang die Mahlzeit in aller Hast, da er beschlossen hatte, der Burg so rasch wie möglich den Rücken zu kehren. Die Sonne war inzwischen untergegangen; er hoffte, dass er das Echsenei ungestört im Schütze der Dunkelheit ausbuddeln konnte. Und falls ihn die Wachtposten aufhielten, brauchte er nur zu sagen, dass er mit seiner Arbeit fertig sei. Baron Groghe von Fort gab seinem Gesinde abends immer frei, damit es das Fest besuchen konnte.
Piemur freute sich schon auf das Wiedersehen mit Sebell. Er hatte zwar nicht herausgefunden, welchen von Merons Söhnen das einfache Volk auf der Burg als Nachfolger bevorzugte, aber er konnte immerhin beweisen, dass der Baron weit mehr Echseneier bekam, als einem Burgherrn von seinem Rang zustanden; außerdem hatte er in Erfahrung gebracht, dass die Vorratskammern zum Bersten gefüllt waren - mit Dingen, die Meron niemals für sich selbst verbrauchen konnte.
Trotz seines Hungers legte Piemur den Fleischknochen beiseite. Ihm zitterten die Knie, und er beschloss, das Ei zu holen und sich aus dem Staub zu machen, ehe er vor Erschöpfung zusammenbrach. Mit einem sehnsüchtigen Seufzer dachte er an sein Bett in der Harfnerhalle.
Die übrigen Küchenhelfer standen in Gruppen beisammen und schimpften, weil die Gäste kaum etwas von den Speisen zurückgehen ließen. Sie merkten nicht, dass sich Piemur aus dem Gewölbe stahl.
Er holte das Echsenei aus der noch warmen Asche, wickelte es vorsichtig in Lumpen und schob das Bündel erneut unter sein Hemd. Dann schlenderte er kühn zum Haupttor und pfiff dabei absichtlich falsch vor sich hin.
»Und wohin wollen wir, mein Kleiner?«
»Zum Fest«, entgegnete Piemur, als sei das selbstverständlich.
Zu seiner Verblüffung lachte der Wachtposten schallend los, packte ihn grob an der Schulter und drehte ihn herum.
»Probier das nicht noch einmal, Küchenschabe!«, rief der Mann und schubste ihn in Richtung Burg. Piemur hatte alle Mühe, auf dem Kopfsteinpflaster das Gleichgewicht zu halten. Er blieb im Schatten der Mauer stehen, wütend über das neue Hindernis, das sich vor ihm auftat. Einfach lächerlich! Er kannte keine andere Burg auf ganz Pern, wo es dem Gesinde verboten war, den Festplatz zu besuchen.
»Los, wühl dich wieder in deine Asche, Küchenschabe!«
Erst jetzt erkannte Piemur, dass sich sein schmuddeliger Kittel hell gegen die dunkle Mauer abhob. Also schlurfte er zurück in den Wirtschaftshof und streifte das verräterische Kleidungsstück ab, sobald ihn der Wächter nicht mehr sehen konnte. Ganz so einfach kam er also nicht fort von hier...
Nun, zumindest die Gäste würden irgendwann die Burg verlassen. Am besten, er wartete diesen Zeitpunkt ab und schlich dann auf dem gleichen Wege wieder hinaus, den er bei seiner Ankunft genommen hatte.
Der Gedanke gefiel ihm und er sah sich nach einem geeigneten Versteck um. Er musste im Hofbereich bleiben, damit er hörte, wann die Gäste aufbrachen. In die Küche wollte er nicht mehr zurückkehren, denn dort gab es sicher neue Arbeit für ihn. Seine umherwandernden Blicke blieben im Winkel des Wirtschaftshofes hängen. Zwischen Brennsteinen und Aschehaufen vermutete ihn sicher niemand. Im Schatten der Gebäudemauern pirschte er sich näher und wählte eine Kuhle an der Innenwand der Aschengrube. Nicht gerade der bequemste Platz, fand er und zog ein halb verkohltes Stück Schlacke zur Seite, das sich in seinen Rücken bohrte. Der Nachtwind blies jetzt stärker, und er fror, wenn er die Nase über den Rand der Grube streckte. Nun ja, allzu lange musste er hier sicher nicht ausharren. Er konnte sich kaum vorstellen, dass jemand Baron Merons Gestank länger als irgend nötig ertrug.
Lärm und Geschrei schreckten ihn aus einem unruhigen
Halbschlaf. Leute rannten aufgeregt durch den Großen Hof, und dann drang lautes Schimpfen aus dem
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