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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Stig Johansson?«
    »Ja.«
    »Woher weißt du das?«
    »Das hab ich in einem Buch aus der Bibliothek gelesen. In dem stand alles über Elvis Presley.«
    Sie sah mich an, als wüsste sie nicht recht, was sie davon halten sollte, als wagte sie nicht zu hoffen, dass ich log. Sie wusste, dass ich häufig in der Bibliothek saß und las und dass ich viel mehr wusste als sie, weil ich so viel las. Jetzt sah sie traurig aus, als wäre Elvis nicht mehr so gut, wenn er Stig hieß.
    »Wenn er wenigstens einen anderen Namen hätte.«
    »Warum?«
    Sie antwortete nicht. Vater hatte nicht Stig geheißen, wir kannten keinen Stig. Den Namen mochte sie wohl einfach nicht, so wie ich Tommy nicht mochte. Das klang nach einem Botenjungen mit Fahrrad, und ich wollte kein Botenjunge werden. Als Laufbursche Waren auszutragen, konnte ich mir vorstellen, aber nicht mit dem Fahrrad.
    »Stig Johansson«, sprach Mutter vor sich hin. »Aber Amerikaner heißen doch nicht Stig Johansson?«
    »Er ist kein geborener Amerikaner«, sagte ich. »Er stammt aus Smäland.«
    »Aus Smäland?!«
    »Seine Eltern sind ausgewandert«, sagte ich. »Du wirst doch wohl wissen, dass fast alle Smäländer nach Amerika ausgewandert sind?«
    Sie nickte.
    »Alle, nur wir nicht«, sagte ich. »Würdest du gern auswandern, Kenny?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Ich hätte es lieber gehabt, wenn unsere Vorfahren nach Japan ausgewandert wären.«
    »Warum?«
    »Dann hätte ich viel eher Samurai werden können«, sagte ich.
    »Eines schönen Tages kommst du nach Japan«, sagte sie. Ich antwortete nicht.
    Sie betrachtete mich, als wollte sie mich in meiner Samuraikleidung sehen. Aber in der Stadt hatte ich keine Uniform, ich hatte nur meine Schwerter.
    »Wie lange wirst du Samurai bleiben?«
    »Was meinst du damit?«
    »Vermutlich kannst du nicht Samurai sein, wenn du erwachsen bist?«
    »Glaubst du, so was würde jemand zu einem kleinen Samurai in Japan sagen? Das würde sich niemand trauen.«
    »Wir sind nicht in Japan.«
    Mutter schien zu lächeln. Aber es war ziemlich dunkel in der Küche, und ich war nicht ganz sicher.
    »Vielleicht bleibst du immer ein Samurai.« Sie streckte eine Hand über den Tisch und strich mir über die Wange, und ich ließ es geschehen.
    »Mein kleiner Samurai«, sagte sie.
    Ich schob ihre Hand weg. Fünf Sekunden reichten. Die Hand war schwer.
    »Ich hab nur einen Witz gemacht mit Elvis«, sagte ich. »Er heißt nicht Stig.«
    »Gott sei Dank.« Mutter lächelte wieder. »Ich hätte mir keinen einzigen Song mehr angehört, wenn er Stig geheißen hätte.«
    »Aber er hatte einen Zwillingsbruder«, sagte ich.
    »Er ist ein Zwilling?«
    »Ja.«
    »Wo ist sein Bruder?«
    »Der ist tot.«
    »Über so was macht man keine Witze«, sagte Mutter. »Das ist kein Witz. Er ist bei seiner Geburt gestorben.«
    »Woher weißt du das?«
    »Das hab ich in der Bibliothek gelesen. Ich hab’s wirklich gelesen.«
    »Warum liest du das alles über Elvis?«
    »Du hörst ihn doch dauernd. Deswegen wollte ich ein bisschen mehr über ihn erfahren.«
    »Ein bisschen mehr? Du scheinst doch alles zu wissen.«
    Sie schaute aus dem Fenster in den diesigen Abend. Die Straßenlaternen färbten die Dunkelheit neblig gelb. Dann sah Mutter wieder mich an.
    »Wie hieß sein Bruder? Der hieß doch wohl nicht Stig? Hast du den Namen daher?«
    »Nein, nein. Er hieß Aaron.«
    »Aaron?«
    »Ja. Und Elvis heißt auch so. Elvis Aaron Presley.«
    »Das wusste ich nicht«, sagte Mutter.
    »Gute Nacht«, sagte ich und ging in mein Zimmer. Dort legte ich mich aufs Bett, ohne mich auszuziehen.
    Irgendwann in der Nacht wurde ich wach.
    Durch die Wand hörte ich Elvis. Den Song kannte ich natürlich. Mutter spielte ihn jeden Abend, »That’s Alright, Mama«, das bedeutete, »es ist okay, Mutter«.
     
    Ich frühstückte wie immer allein, und das war gut so. Morgens hatte ich keine Lust zu reden. Es war ganz still in der Küche. Um sieben hatte ich auf dem Hof meine Übungen mit dem Katana gemacht, dann war ich wieder nach oben gegangen und hatte Dickmilch mit Cornflakes gegessen. Eigendich hätte ich gekochten Reis essen sollen, aber das dauerte zu lange. Reis ist das wichtigste Nahrungsmittel eines Samurai, am besten ist der ungeschälte Naturreis. Aber in keinem Laden der Stadt hatte ich Naturreis gefunden. Und Mutter mochte Reis überhaupt nicht. Manchmal kochte sie Reisgrütze, aber das war eine zu süße Nachspeise, die ein Samurai nicht essen würde.
    Ich spülte den Teller unterm

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