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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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worden war, schien wie eine schwarze Brücke darüberzuführen. Im Sommer war ich hier endanggefahren, auf dem Weg ins Camp und zurück. Kerstin auch. Da war die Straße noch ein Schotterweg gewesen. Aber es war derselbe Weg. Und doch hatte ich das Gefühl, wir seien unterwegs zu einem ganz anderen Ort als dem, den wir damals verlassen hatten. Einem anderen Land.
    Die Sonne war hinter den Tannenwipfeln verschwunden. »Wir müssen weiter, damit wir ankommen, bevor es dunkel wird«, sagte Krister.
     
    Jetzt fuhren wir meistens im Schatten. Krister hatte vom auf seine Knöpfe gedrückt, und die Fenster hatten sich laudos wieder geschlossen. So ein Auto hätte ich gern, wenn ich groß war. Ich überlegte, was es kostete, aber ich mochte nicht fragen. Sicher kostete es viele Tausend Kronen.
    »Ich bin als Kind auch abgehauen«, sagte Krister plötzlich.
    Seine Augen konnte ich im Rückspiegel nicht mehr genau sehen, das Licht hatte sich verändert. Die Farben waren dunkler, und das Rot der Häuser, an denen wir vorbeikamen, wurde schwarz.
    »Ich wollte nicht bei der Familie bleiben, zu der sie mich geschickt hatten«, fuhr Krister fort.
    Ich konnte ihn gut verstehen. Dafür, dass der Buick so ein großes Auto war, fuhr er erstaunlich leise. Andere Autos, in denen ich mitgefahren war, hatten viel lauter gedröhnt, obwohl sie um einiges kleiner gewesen waren.
    »Die Leute waren nicht nett. Das sollte ich euch vielleicht nicht erzählen, aber so war es. Anfangs wirkten sie nett, aber das hielt nicht lange an. Ich musste in aller Herrgottsfrühe aufstehen und im Stall arbeiten. Wäre nicht schon die Schulpflicht eingeführt gewesen, dann hätte ich wahrscheinlich rund um die Uhr den Kuhstall ausmisten müssen.«
    Es klang, als würde er lachen.
    »Aber die Kühe waren viel netter als die Pflegeeltern«, fuhr er fort, »das wäre also okay gewesen.«
    »Was haben Sie getan?«, hörte ich Kerstins Stimme. Auch sie konnte ich kaum noch sehen. Sie schien am anderen Ende eines Korridors zu sitzen. »Was haben Sie da gemacht?«
    »Ich bin abgehauen«, antwortete Krister. »Und dann?«
    »Und dann? Tja, man kann sagen, seitdem bin ich ständig unterwegs.« Wieder klang es, als würde er lachen. »Unterwegs, ohne irgendwo anzukommen. Und das gefällt mir gut.«
    Das Auto wurde langsamer.
    »Da kommt die Abfahrt«, sagte er.
    Ich erkannte die Stelle, wo sich drei Straßen kreuzten. So was vergaß man nicht. Ich hatte mehr Sommer hier verbracht, als ich zählen wollte.
    Nie hätte ich geglaubt, dass ich noch einmal zurückkehren würde, aber plötzlich war es fast selbstverständlich gewesen.
    Der erste Halt auf unserer Flucht.
    »Ich kann euch ja nicht einfach hier zurücklassen«, sagte Krister und hielt an.
    Wir standen neben der Kreuzung vor einem Haus, in das ich nie jemanden hineingehen oder herauskommen gesehen hatte. Das Gras um das Haus hemm schien seit mehreren Jahren nicht mehr gemäht worden zu sein. Die Apfelbäume waren unbeschnitten. Sie wirkten irgendwie unwillig, als protestierten sie gegen etwas.
    »Ich fahr euch da jetzt hin«, sagte Krister, »ihr guckt euch die Verwüstung an, und dann fahren wir in die Stadt.«
    »Was sollen wir da?«
    »In der Stadt? Einen Platz zum Schlafen suchen natürlich, etwas zu Abend essen. In einer Stunde ist es dunkel.«
    »Wir können nirgends in der Stadt wohnen«, sagte ich. »Und wo wollt ihr schlafen? Im Wald?«
    »Es ist ja nicht kalt.«
    »Aber es wird kalt, glaub mir, Junge.«
    »Das macht nichts.«
    »Jetzt hör mir mal zu. Ich lade euch zu einer Übernachtung im Stadthotel ein. Es ist nicht gut, wenn man in der ersten Nacht draußen schläft. Dann wäre es besser, die erste Nacht zu Hause zu schlafen!«
    »Trotzdem werden wir nicht im Stadthotel übernachten«, sagte ich.
    »Warum nicht?«
    »Da kennen sie uns doch. Wahrscheinlich wird schon nach uns gesucht, und wir werden festgenommen, sobald wir das Hotel betreten.«
    »Ich gebe euch als meine Kinder aus.« Er lächelte. Jetzt konnte ich sein Gesicht sehen, weil ich mich über den Vordersitz beugte. »Meine Frau hat mich plötzlich verlassen.«
    »Das glauben die Ihnen nicht«, sagte Kerstin. »Sie sind noch zu jung.«
    »Vielen Dank«, sagte Krister. »Aber vielleicht habt ihr Recht. Das Hotel ist keine so gute Idee. Wenn sie da jemanden wiedererkennen, dann mich.«
    Er trommelte mit zwei Fingern auf dem Lenkrad und hob plötzlich einen Zeigefinger.
    »Ihr übernachtet natürlich im Auto!«
    »Aber … wo wollen Sie

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