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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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ausfragte.
    »Nachschlagewerke.«
    »Nachschlagewerke?«
    »Ja, davon werdet ihr doch wohl schon mal gehört haben?« Krister sah uns an. Wir nickten.
    »Wissen, ich verkaufe Wissen für einen Apfel und ein Ei«, sagte Krister. »Ohne Wissen erreicht man nichts. Das erzähle ich den Leuten, die zögern, wenn ich sie besuche. Ihr kommt nie weiter ohne diese Bücher, sage ich.«
    »Und was antworten die Leute darauf?«, fragte ich.
    »Dass sie auch gar nicht weiterkommen wollen.« Krister lachte wieder das kurze Lachen. »In dieser Gegend wollen die Leute gar nichts und nirgendwohin«, sagte er. »Sie wollen nichts lernen und auch nicht verreisen. Hier gibt es eine Redensart, die heißt >Wir fahren am ersten Tag nur so weit, dass wir die erste Nacht zu Hause schlafen können’!« Er lachte, diesmal noch kürzer. Dann wurde er wieder ernst.
    »Aber ihr wollt die erste Nacht nicht zu Hause schlafen, so weit ich verstehe.« Er zeigte auf Kerstins Rucksack. »Ihr habt für die Nacht eingepackt.«
    Wir antworteten nicht.
    »Also, was ist passiert?«
    »Sie wollen uns in Pflegefamilien schicken«, sagte ich. »Warum? Euch alle beide? Ihr seid doch keine Geschwister, oder?« Kerstin schüttelte den Kopf.
    »Warum sollst du in eine Pflegefamilie?« Krister sah sie an.
    »Es geht … um meine Mutter. Sie kann nicht …« Kerstin beendete den Satz nicht.
    »Sie kann sich nicht um dich kümmern? Aha. So was hat man ja schon gehört.« Krister schaute mich an. »Und du? Die gleiche Geschichte?«
    »Meine Mutter ist im Krankenhaus«, sagte ich.
    Krister nickte. Er schien zu verstehen, was für eine Art Krankenhaus ich meinte. Jedenfalls fragte er nicht.
    »Wisst ihr was, ich glaube euch«, sagte er nach einer Weile. »Und wisst ihr, warum? Ich sehe es euch an, dass ihr nicht lügt.« Er wandte sich an die Frau. »Kann man eine Tasse Kaffee kriegen?« Dann sah er uns. »Möchtet ihr auch noch was?«
    Wir schüttelten beide den Kopf.
    Frau Gustafsson ging zu einer Kaffeemaschine aus Stahl neben der Durchreiche und drehte an einem Hahn.
    Während wir dort gesessen hatten, waren keine neuen Gäste gekommen. Draußen war es auch ganz still, als wären wir plötzlich ganz allein in dieser gottverlassenen Gegend, wie Krister sie genannt hatte. Gottverlassen bedeutete, dass Gott sich nicht mehr um uns kümmerte und dass er für immer weggegangen war. Aber vielleicht bedeutete es auch, dass die Leute, die hier wohnten, sich nicht um Gott kümmerten.
    Frau Gustafsson kam mit einer dampfenden Tasse Kaffee zurück und stellte sie vor Krister hin.
    »Woher wisst ihr, dass es eine Pflegefamilie wird?«, fragte er.
    »Oder ein Kinderheim«, sagte ich. »Pest oder Cholera«, sagte Krister.
    »Wer hat gesagt, dass ihr von zu Hause wegmüsst?«, fragte Frau Gustafsson. »Ich glaube ihnen«, sagte Krister.
    »Ja, aber wer hat das bestimmt?« Frau Gustafsson schaute mich an. »Das Jugendamt«, sagte ich. »Dürfen die das denn?«, fragte Frau Gustafsson. »Ja«, sagte Krister. »Woher wissen Sie das?«
    »Das haben sie auch mit mir gemacht.«
     
    8
     
    Kristers Amerikaner war geräumig wie ein Bus. Kerstin und ich saßen jeder am Fenster auf dem Rücksitz, und zwischen uns waren mindestens drei Meter Abstand.
    Krister setzte zurück. Frau Gustafsson winkte uns von der Tür zum Cafe nach.
    Ich drehte mich nach ihr um, als wir abfuhren.
    »Keine Sorge, Junge. Sie verpfeift euch nicht.«
    »Ich mache mir keine Sorgen«, sagte ich.
    Krister hielt am Stoppschild und bog dann in die Landstraße ein und an der Kreuzung nach links ab.
    Plötzlich glitten die Fensterscheiben an beiden Seiten des Autos herunter, obwohl wir keinen Hebel angerührt hatten.
    »Elektrische Fensterheber«, erklärte Krister.
    Ich sah seine Augen im Rückspiegel. Sie schienen hundert Meter von meinem Platz entfernt zu sein, und doch waren sie ganz nah. Ich sah nur die Augen im Rückspiegel.
    »Du sagst, du machst dir keine Sorgen? Na ja, dafür ist noch Zeit genug«, sagte er.
    »Wo sind die Bücher?«, fragte Kerstin.
    »Was?« Krister sah überrascht aus.
    »Die Bücher, die Nachschlagewerke. Wo sind sie?«
    »Im Kofferraum«, antwortete er. »Aber ich habe auch ein Lager.« Er blinzelte einige Male. »Ich brauche es allerdings nicht oft aufzusuchen.«
    Jetzt waren wir an der Kreuzung vorbei.
    Im Cafe hatte Krister angeboten, uns dorthin zu bringen, wohin wir wirklich wollten. Er hatte genickt, als ich es ihm erklärt hatte, so als wäre er schon einmal dort gewesen.
    »Ich kann

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