Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
Kartoffelbrei und daneben viele eingelegte Rote Bete.
    »Nun haut erst mal rein«, sagte der Mann. »Und hinterher erklärt ihr mir, warum ihr zu Hause nichts zu essen kriegt.«
    »Klar kriegen wir was zu essen«, antwortete ich. »Gestern gab’s bei uns Lammkoteletts.«
    »Sind die auch für Vegretaner?«, fragte die Frau.
    Der Mann lachte. »Diese Gegend!«, sagte er.
    »Was gibt’s an Smäland auszusetzen?«, fragte die Frau.
    »Nichts«, sagte der Mann, »überhaupt nichts.«
    »Das will ich aber auch hoffen«, sagte die Frau. »Sie sind ja bloß auf der Durchreise.«
    »Aber ziemlich oft hier«, sagte der Mann.
    »Aufgewachsen sind Sie aber nicht hier«, sagte die Frau.
     
    »Seid ihr hier aufgewachsen, Kinder?« Der Mann sah uns forschend an. Wir hatten uns auf die hohen Hocker am Tresen gesetzt. Ich nickte.
    »Kommt ihr öfter hierher?« Der Mann machte eine Handbewegung, die das ganze Lokal umfasste.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich hab die beiden noch nie gesehen«, sagte die Frau.
    »Soll ich euch mit zurück in die Stadt nehmen?« Der Mann stand auf. »Es sind immerhin einige Kilometer, und ihr seht müde aus.«
    Wieder schüttelte ich den Kopf.
    »Ihr seid aber ganz schön mundfaul.«
    Er musterte uns, als wollte er gleichzeitig herausfinden, wie wir hießen, wer wir waren und warum wir ausgerechnet jetzt hier waren.
    »Wohin seid ihr denn unterwegs?«, fragte er.
    »Zu Großmutter«, antwortete ich.
    »Großmutter? Eure Großmutter? Seid ihr Geschwister? Zwillinge? So seht ihr eigendich nicht aus.«
    »Meine Großmutter«, sagte ich.
    Mir wurden die Fragen langsam zu viel. Am Ende würde er noch das Telefon des Cafés benutzen und die Polizei anrufen. Vielleicht glaubte er, er würde eine Belohnung kriegen. Vielleicht war die Fahndung nach uns schon ausgeschrieben: Kenny & Kerstin - Wanted Dead or Alive.
    »Und wo wohnt deine Großmutter?«, fragte der Mann.
    Ich nannte die Stadt. Bis dort waren es ungefähr fünfzig Kilometer.
    »Aber die liegt doch in die entgegengesetzte Richtung«, sagte der Mann. »Ihr seid hier an der südlichen Ausfahrt.«
    »Nein, nein, wir wollen zu meiner Großmutter«, sagte Kerstin plötzlich.
    »Deine?«, fragte der Mann. »Und wo wohnt die?«
    Kerstin nannte die Stadt, die etwa vierzig Kilometer von dieser Ausfahrt entfernt lag.
    »Ihr müsst euch entscheiden, zu wessen Großmutter ihr eigendich wollt.« Der Mann wechselte einen Blick mit der Frau. »Bald haben wir hier mit der gesamten Verwandtschaft zu tun.«
    »Jetzt rufen wir erst mal bei euren Eltern an«, sagte die Frau und wandte sich vom Tresen. »Nein!«, rief ich.
    Die Frau zuckte zusammen, als wäre sie von einer Wespe gestochen worden.
    Kerstin war auch zusammengezuckt.
    Der Mann setzte sich wieder. Er hatte lange Beine und brauchte sich fast nur zurückzulehnen, um sich auf den hohen Hocker zu setzen.
    »Warten Sie«, sagte er zu der Frau. »Rufen Sie noch nirgends an.«
    »Ich finde aber, das sollten wir tun«, sagte sie. »Man sollte so viel tun.« Der Mann sah mich an. »Wie heißt du, Junge?«
    »Kenny.«
    »Warum bist du bewaffnet?«
    »Ich bin immer bewaffnet.«
    »Warum?«
    »Ich bin ein Samurai.«
    »Okay«, sagte der Mann, als sei es für ihn die selbstverständlichste Sache der Welt, mitten in Smäland einen Samurai zu treffen.
    Er sah Kerstin an. »Bist du auch Samurai? Du hast kein Schwert.«
    »Zu Hause«, sagte Kerstin, »das ist zu Hause.«
    »Und wie heißt du?«
    »Kerstin.«
    Der Mann neigte sich ein wenig vor. »So viel hab ich begriffen, dass ihr von zu Hause abgehauen seid. Jetzt möchte ich wissen, warum.«
    Wir antworteten nicht. Wo sollte man anfangen? Beim Irrenhaus? Bei Kerstins Mutter? Beim Camp? In der Schule? Beim Jugendamt?
    Und nur weil er uns zum Essen eingeladen hatte, ging es ihn noch lange nichts an, warum wir abgehauen waren.
    »Ich bin kein Polizist«, sagte er. »Ich heiße übrigens Krister.«
    »Er ist Handelsreisender«, sagte die Frau.
    »Und das ist Frau Gustafsson.« Krister machte eine Kopfbewegung zu ihr. »Jedes Mal wenn ich auf der Durchreise bin, serviert sie mir Isterband. Ich bin einmal im Monat hier.«
    »Und was verkaufen Sie?«, fragte ich.
    »Ich reise herum.« Krister beschrieb einen Kreis in der Luft. »Ich fahre in dieser gottverlassenen Gegend hemm und kehre immer wieder an denselben Ort zurück.«
    »Was verkaufen Sie?« Ich weiß nicht, warum ich die Frage wiederholte. Vielleicht, damit er uns nicht weiter

Weitere Kostenlose Bücher