Drachenmonat
fort.
»Wir haben Ihren Schlüssel.«
»Ich hab noch mehr. Und ich hab nicht geglaubt, dass ihr den Wagen auf dem Schwarzmarkt verscherbelt.«
»Ich habe Sie gesehen«, sagte ich. »Heute Nacht. Hier.«
»Ja, als die Bullen anriefen, habe ich das Schlimmste befürchtet. Aber ihr wart zum Glück nicht da. Ich dachte, ihr seid abgehauen.« Er warf einen Blick zur Brandmauer. »Ich dachte, ihr würdet nicht wiederkommen.«
»Wir haben gefroren«, sagte Kerstin.
»Und ihr friert wahrscheinlich immernoch«, sagte Krister. »Wir müssen eine Runde fahren, damit die Karre warm wird.« Er öffnete die Tür auf der Fahrerseite. »Am besten, ihr legt euch wieder hin. Auf ein weiteres Plauderstündchen mit den Bullen kann ich gut verzichten.«
Wir überquerten die Stadtgrenze. Ich drehte mich um und sah das Schild unter dem Namen der Stadt: Willkommen.
»Ha, ha«, sagte Krister. Er warf einen Blick im Rückspiegel darauf. »Schönes Willkommen. Hier geht’s zu wie im Wilden Westen.« Er wandte sich zu Kerstin, die jetzt auf dem Beifahrersitz saß. »Der Sheriff vertreibt jeden Fremden, sobald einer auftaucht.«
»Aber Sie sind doch früher schon hier gewesen«, sagte Kerstin.
»Der alte Sheriff ist pensioniert«, sagte Krister. »Haben Sie in dieser Stadt gewohnt?«, fragte ich. Ich begegnete seinem Blick im Rückspiegel. »Nein. Warum fragst du?« Ich antwortete nicht.
Im Auto war es schnell warm geworden. Ich zog meinen Pullover aus. Vom blauen wolkenlosen Himmel leuchtete die Sonne über den Tannenwipfeln. Die Straße war gesäumt von hohen Bäumen mit roten und gelben Blättern. Ich war sicher, dass es Ahorn war. Ahornlaub kann man am leichtesten erkennen. Auf Kanadas Flagge war ein Ahornblatt. Kanada liegt in Nordamerika. Auch dort hatte es Indianer gegeben. Und in dem Augenblick fielen mir Janne und die Mohikaner ein.
»Wir kennen einige in der Stadt«, sagte ich.
»Warum habt ihr das nicht gestern gesagt?«, fragte Krister. »Es ist… zu spät geworden.«
»Wir brauchen Frühstück«, sagte Krister. »Und wir müssen ein Wörtchen miteinander reden.« Er fuhr schneller. »Ich kenne ein Lokal für Lastwagenfahrer. Es ist nicht weit«
Wir saßen in einer Nische des Lokals. Die Bänke hatten hohe Rückenlehnen und waren mit roten Borten besetzt.
»Hier sieht’s auch aus wie im Wilden Westen«, sagte Krister.
In einer anderen Nische ein Stück entfernt saßen zwei Männer mit Kappen auf dem Kopf. Vor dem Lokal stand ein Laster mit einem mit Baumstämmen beladenen Anhänger. Die Lastwagenfahrer hatten nicht mal hochgeschaut, als wir hereingekommen waren. Sie aßen Eier mit Schinken.
»Besser hier zu sitzen als im Auto«, sagte Krister. »Es könnte Misstrauen wecken, wenn wir im Auto essen. Hier kümmert sich keiner. Was möchtet ihr haben?«
Kerstin schaute zu den Lastwagenfahrern.
»Schinken und Eier klingt gut«, sagte Krister. »Was meint ihr?«
Kerstin nickte.
Eine Kellnerin kam mit einem Block und einem Stift in der Hand an unseren Tisch. Sie wirkte so jung, als ginge sie immer noch in die Schule. Die Haare hatte sie zu Rattenschwänzen zusammengebunden.
»Dreimal Schinken und Eier«, sagte Krister, »Butter, Brot, Käse, Kaffee und Milch.« Er sah uns an. »Oder möchtet ihr heute lieber Tee?«
Wir schüttelten den Kopf.
Die Kellnerin schrieb lange, als schriebe sie Tagebuch. Dabei hatte sie die Zunge zwischen die Lippen geklemmt. Sie sah auf.
»Auf beiden Seiten gebraten?«
»Für mich nicht«, sagte Krister, »ich möchte die Sonnenseite nach oben. < Sunny side up>.«
» Auf beiden Seiten gebraten«, sagte ich. »Ich auch«, sagte Kerstin.
Die Kellnerin schrieb noch ein paar Seiten voll, dann schob sie den Block in ihre Schürzentasche, steckte den Bleistift hinter ein Ohr und ging durch eine Tür links von der Kasse in die Küche. Dort stand ein weiteres Mädchen und wartete auf Kunden. Wir schienen in einem ungewöhnlich ruhigen Moment gekommen zu sein.
»Hier ist es gerade ungewöhnlich ruhig«, sagte Krister. »Gegen Abend ist es rappelvoll.«
»Sind Sie hier schon früher mal gewesen?«, fragte Kerstin.
»Ich bin überall gewesen«, sagte Krister.
»Auch in Japan?«, fragte ich.
»Überall in diesem Land«, antwortete Krister. »Aber ich kenne ein Cafe >Japan<.«
»Wo ist das?«
Er nannte den Namen der Stadt. Sie lag nicht in unserer Gegend, sondern weiter südlich nahe Schonen.
»Jetzt bin ich in die andere Richtung unterwegs«, sagte er.
»Dürfen wir mitkommen?«,
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