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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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kann es ein langer Weg sein, mein Junge. Ich zum Beispiel bin immer noch unterwegs.«
    »Sie sind ja noch nicht so alt.«
    »Unterwegs altert man doppelt so schnell. Eigendich bin ich immer noch fünfzehn.«
    »Und haben schon einen Führerschein«, sagte Kerstin.
    »Ausnahmegenehmigung«, sagte Krister. »Aber darüber macht man keine Witze.«
    »Trotzdem tun Sie es«, sagte Kerstin.
    Krister lachte. »Ich gebe auf. Und wünsche euch Glück.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte ich.
    »Von jetzt an müsst ihr allein zurechtkommen. You’re on your own, wie sie im Wilden Westen sagen. Ich werde euch nicht bei irgendeiner Behörde abliefern.«
    »Gut.«
    »Dort werdet ihr sowieso früher oder später landen. Oder die Probleme zu Hause lösen sich. Wenn ihr also abwarten und weiterziehen wollt… dann tut es.« Er machte eine entschuldigende Handbewegung. »Aber ich kann euch nicht mitnehmen. Ich muss arbeiten, und es ist zu gefährlich, euch im Buick von Küste zu Küste mitfahren zu lassen. Ich könnte euch höchstens zu einer Bekannten bringen, aber dort müsstet ihr eine Weile bleiben.«
    »Wir wollen nicht an einem Ort bleiben«, sagte ich. »Oder was meinst du, Kerstin?«
    »Es hängt davon ab, was für ein Ort es ist«, sagte sie.
    »Ich weiß nicht, was ich garantieren kann«, sagte Krister. Er schaute sich um. Die Lastwagenfahrer saßen immer noch da. »Die Jungs kommen mir bekannt vor. Ich kann ja mal mit ihnen reden. Die fahren bestimmt weit.«
    »Vielleicht gehen wir zurück in die Stadt«, sagte ich.
    »Ach?« Krister sah erstaunt aus.
    »Da wohnt ein Kumpel aus dem Camp. Er ist nach dem Brand dorthin gezogen.«
    »Allein?« Krister sah immer noch erstaunt aus. Ich glaube, er meinte die Frage ernst.
    »Nein, zu einer neuen … Pflegefamilie. Aber die ist in Ordnung.«
    »Wollt ihr ihn besuchen?«
    »Vielleicht.«
    »Dann kann ich euch auch direkt zum Jugendamt bringen.«
    »Warum?«
    »Was werden die Pflegeeltern wohl sagen, wenn ihr dort auftaucht? Oder sind die so grenzenlos nett, dass ihr auch dort wohnen dürft?«
    »Wir wollen Janne nur mal treffen«, sagte ich. »Und vielleicht den Bogenschützen, nicht seine Eltern.«
    Krister antwortete nicht. Er schaute aus dem Fenster, auf die Straße, die nur einige Meter von dem Gebäude entfernt war. Er sah plötzlich traurig aus, als würde er an die vielen Jahre denken, die er auf diesen Straßen, die alle gleich aussahen, verbracht hatte. Sein Zuhause waren vielleicht Motels, Hotels und Cafés. Seine Familie waren die Leute, die in den Cafés saßen, und die, die bedienten. Sie waren wie eine große Familie, aber er kannte sie nicht besonders gut. Vielleicht wollte er verhindern, dass wir wurden wie er. Aber Krister war in Ordnung. Dauernd unterwegs zu sein hatte ihn jedenfalls nicht zu einem bösen Menschen gemacht. Vielleicht hätte ich nichts von den Eltern des Bogenschützen sagen sollen. Womöglich wusste Krister nicht einmal, wer seine Eltern gewesen waren. Ich kannte meine. Das war ein Riesenunterschied. Außerdem hatte ich eine Mutter, die im Augenblick in einem großen weißen Haus in einem großen schönen Park wohnte. »Krister?«
    Sein Blick wandte sich mir zu, aber langsam, als wäre er in Gedanken immer noch auf den Straßen da draußen.
    »Ja?«
    »Wir kommen zurecht«, sagte ich.
    »Wenn ich ein Haus hätte, könntet ihr darin wohnen«, sagte er. »Aber im Augenblick hab ich nicht mal eine Wohnung.« Er schüttelte den Kopf. »Man kann es so ausdrücken, momentan lebe ich zwischen lauter Wohnungen.«
    »Das ist doch in Ordnung«, sagte ich.
    »Deswegen kann ich nicht Vormund werden.«
    »Wir brauchen keinen Vormund«, sagte ich. »Darum sind wir doch abgehauen.«
    »Und wo kommt ihr nächste Nacht unter?«, fragte Krister. »Die letzte war anstrengend genug. Und da konntet ihr immerhin im Buick schlafen.«
    »Draußen ist es warm.« Ich zeigte auf die Straße und die Felder dahinter. »Es wird noch wärmer als gestern. Es wird eine warme Nacht.«
    »Ihr wollt draußen schlafen?« Krister schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich nicht zulassen.«
    Er stand auf, zog seine Brieftasche aus der Gesäßtasche, setzte sich wieder, öffnete sie wie eine Ziehharmonika. Ich sah viele Scheine, Hunderter, Fünfziger. Er war reich. Er schaute auf, sah, dass ich es sah.
    »Du findest mich reich, Kenny, oder? Aber der Buick schluckt fast mein ganzes Geld, und das mit Recht. Ein ordentliches Auto trinkt nicht weniger als zwei Liter auf neun

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