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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Kilometer.«
    Er holte noch mehr Scheine hervor und reichte sie Kerstin. »Nimm sie. Ihr werdet sie brauchen.«
    »Das kann ich nicht annehmen«, sagte sie leise. »Warum nicht?«
    »Es gehört uns doch nicht«, antwortete sie. »Mir auch nicht.« Krister lächelte. »Wie meinen Sie das?«, fragte ich.
    »Ich hab bloß Spaß gemacht«, antwortete er. »Eigendich gehören sie dem Buick, wie schon gesagt.«
    Aber ich war nicht sicher, ob er Spaß machte. So sah er eigendich nicht aus, obwohl er lächelte. Das Lächeln reichte nicht bis in die Augen. Ein echtes Lächeln sah man auch in den Augen. Wenn man Leuten, die richtig lächelten, den Mund verdecken würde, würde man immer noch sehen können, dass sie lächelten.
    »Nehmt das Geld, das hilft euch ein Weilchen. Ihr könnt zum Beispiel mit dem Bus fahren. Oder mit der Bahn. Ihr braucht nicht unter den Sternen zu schlafen. Und ihr könnt eine anständige Mahlzeit am Tag essen.«
    Ich schaute auf die Hunderter, die er immer noch in der Hand hielt, und warf Kerstin einen Blick zu. Sie starrte fasziniert auf die Scheine. Krister ist dabei, uns zu hypnotisieren, dachte ich. Gehirnwäsche. Aber der kann man entkommen.
    Plötzlich streckte Kerstin die Hand aus. Sie hatte sich entschieden.
    »Okay«, sagte sie und nahm das Geld. »Aber wir zahlen es Ihnen zurück.«
    »Das geht schon in Ordnung«, sagte Krister.
    »Sobald wir groß sind, zahlen wir es zurück«, sagte ich.
    Er sah mich an. Er lächelte weder mit dem Mund noch mit den Augen.
    »Ihr werdet vielleicht schneller groß, als ihr glaubt«, sagte er. »Schneller, als euch lieb ist.«
     
    11
     
    Krister setzte uns an der Stadtgrenze ab.
    »Tut so, als wärt ihr auf dem Weg in die Schule«, sagte er und gab mir einen Zettel mit einer Telefonnummer.
    »Das ist meine Bekannte. Sie weiß immer, wo ich bin.«
    »Wie das?«, fragte Kerstin.
    Jetzt standen wir neben dem Amerikaner.
    »Ich rufe sie an und erzähle, wo ich bin.«
    »Haben Sie das gestern Abend auch gemacht?«
    »Ja.«
    »Haben Sie ihr von uns erzählt?«
    »Nein.« Er gab Gas, und der Motor röhrte wie ein Flugzeug. »Kerstin, Kenny, passt gut auf euch auf. Ruft an, wenn etwas ist. Oder ruft einfach so an.«
    »Wie heißt sie?«, fragte Kerstin.
    »Mona. Dann also tschüs«, sagte er, legte den Gang ein, startete, schaltete hoch, und der Buick dröhnte davon, denselben Weg zurück, den wir gekommen waren. Einige Hundert Meter entfernt machte die Straße einen Bogen, und Krister und sein Buick waren verschwunden.
    Neben dem Ortsschild stand das Schild mit dem Wort »Willkommen«. Vielleicht hatte es schon im Sommer dagestanden, aber Janne und ich waren von hinten über die Felder gegangen und mit den Mohikanern in ihrem Kanu zurückgepaddelt. Da hatten wir das Schild nicht gesehen.
    Willkommen.
    Aber wir würden nicht lange bleiben. Ich wollte Janne nur noch einmal treffen. Und den Bogenschützen. Kerstin wollte es auch. Der Bogenschütze und der andere Mohikaner, der mit den Federn, hatten vielleicht Kerstins Leben gerettet, als sie auf der Flucht vor Christian weit in den See hinausgeschwommen war. Die Mohikaner hatten sie in ihr Kanu gezogen.
    »Wollen wir mal gucken, ob Janne zu Hause ist?«, fragte ich.
    »Er wird doch wohl in der Schule sein?«
    Ich schaute zur Sonne hinauf. Weder Kerstin noch ich hatten eine Uhr dabei. Die Sonne war auf halbem Wege bis zur großen Pause.
    »Ich möchte nicht in dieser Stadt leben, die einen willkommen heißt«, sagte ich.
    »Vielleicht hätten wir noch ein Stück mit Krister fahren sollen«, sagte Kerstin.
    »Nein. Er ist nett, aber ich will nicht, dass er sich weiter um uns kümmert.«
    »Ich auch nicht«, sagte Kerstin.
    »Die Sache mit Janne war eher eine Ausrede, damit wir wieder allein für uns sorgen können«, sagte ich.
    »Aber ich möchte Janne wirklich treffen«, sagte Kerstin, »und den Bogenschützen.«
    »Wollen wir zu ihrer Schule gehen?«, sagte ich. »Wir können uns unter die anderen Schüler auf dem Schulhof mischen.«
    Bei Tageslicht wirkte der Park kleiner. Vielleicht kam das daher, weil die Bäume so groß waren. Das Laub war feuerrot, und es sah aus, als ständen alle Baumkronen in Flammen.
    Die Würstchenbude war immer noch geschlossen. Nur wenige Autos fuhren über die Brücke. Wir gingen denselben Weg wie in der Nacht. Es war immer ein seltsames Gefühl, wenn man an einen Ort zurückkehrte, den man vorher im Dunkeln gesehen hatte. Als ob man blind gewesen wäre und nun wieder sehen

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