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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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fragte ich.
    Ich weiß nicht, warum ich das fragte. Eine Sekunde vorher hatte ich überhaupt nicht daran gedacht, dass wir mit Krister weiterfahren könnten. Aber alle Pläne schienen sich aufgelöst zu haben, seit wir die Ruinen des Camps und Schlosses besucht hatten. Es gab keinen bestimmten Plan mehr, nur den Plan zu reisen. Und Krister war Reisender. »Darüber müssen wir reden«, sagte er.
     
    Die Kellnerin hatte das Essen gebracht. Es duftete himmlisch.
    »Ich bin als Kind in dieser Lagerhölle gewesen«, sagte Krister, nachdem wir einige Minuten schweigend gegessen hatten.
    »Das habe ich gehört«, sagte ich, »als Sie es den Polizisten erzählt haben.«
    »Ich bin froh, dass es abgebrannt ist.«
    Kerstin und ich sahen uns an. Kerstin nickte langsam.
    »Wir haben es abbrennen lassen«, sagte ich.
    »Wie das?« Krister wollte sich gerade ein Stück Schinken und ein halbes Ei in den Mund schieben und hielt mitten in der Bewegung inne.
    »In der Küche ist ein Feuer ausgebrochen, wir hätten es löschen können, aber wir haben es brennen lassen«, sagte ich.
    Krister nickte, als hätte er dasselbe getan, wenn er die Chance gehabt hätte. Er steckte Ei und Schinken in den Mund und begann zu kauen.
    »Was ist passiert?«, fragte er nach einer Weile.
    »Es war ein Gewitter«, erzählte Kerstin. »In einem der Bäume vor der Küche ist ein Blitz eingeschlagen. Er stand nah am Fenster, und die Flammen schlugen herein.«
    »Wir hatten das Feuer schon unter Kontrolle«, sagte ich, »da sprang eine weitere Flamme vom Baum in die Küche über.«
    »Die ihr nicht mehr gelöscht habt«, sagte Krister.
    »Wir hatten einen vollen Wassereimer«, sagte ich.
    »Den ihr nicht benutzt habt.«
    »Ja.«
    »Weiß das die Polizei?«, fragte Krister. Er war mit Essen fertig und wischte mit einem Stück Brot das Eigelb vom Teller auf.
    »Nein«, antwortete ich.
    »Bist du sicher?«
    »Uns hat jedenfalls niemand gefragt.«
    »Aha.«
    »Gab es die Frau schon, als Sie da waren?«, fragte Kerstin.
    »Die Frau?«, sagte Krister. »Meinst du die Vorsteherin?«
    »Die Alte«, sagte ich. »Wir haben sie die Alte genannt. Die Mädchen nannten sie die Frau.«
    »Die Alte? Tja … unsere oberste Gefangenenwärterin haben wir die Hexe genannt. Aber sie war schon ziemlich alt, wenn ich mich richtig erinnere. Ich bin ja vor über zwanzig Jahren dort gewesen … wenn man mal von gestern absieht.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, das kann nicht dieselbe gewesen sein.«
    »Vielleicht war es die Mutter von unserer Alten«, sagte ich. »Das ist möglich. Solche teuflischen Eigenschaften vererben sich.«
    Ich sah Kerstin an und musste an Christian, den Sohn der Alten, denken. Solche teuflischen Eigenschaften vererbten sich.
    »Und wir haben ein ähnliches Erbe.« Krister nahm einen Schluck Kaffee. »Wir drei. Das macht mir ein bisschen Sorgen. Und deswegen bin ich immer noch mit euch zusammen.« Er stellte den Becher ab. »Ihr seid bestimmt genauso schlecht vom Leben behandelt worden wie ich, Kinder. Ich weiß nicht, was wir jetzt tun sollen.«
    »Wir könnten mit Ihnen fahren«, sagte ich. »Vielleicht nur noch einen Tag.«
    »Das geht nicht, euretwegen nicht und meinetwegen nicht. Wenn wir erwischt werden, hätten die Bullen wirklich ein Hühnchen mit mir zu rupfen.«
    »Inwiefern?«
    »Sie könnten behaupten, ich habe euch entführt.«
    »Aber dem würden wir doch widersprechen!«, sagte Kerstin.
    »Die würden glauben, ich hätte euch einer Gehirnwäsche unterzogen.«
    »Gehirnwäsche? Was ist das?«, fragte Kerstin.
    »Ich hebe vorsichtig eure Schädeldecke ab, wasche das Gehirn mit Seife und lege es wieder zurück in euren Kopf, und danach macht ihr alles, was ich sage.«
    »Warum gerade mit Seife?«, fragte ich.
    »Ha, ha, ihr habt jedenfalls Humor«, sagte Krister. »Aber die Sache ist nicht witzig. Ich müsste euch zum nächsten Polizeirevier bringen, und dann fahrt ihr wieder nach Hause. Ich kann euch auch direkt nach Hause bringen. Das wäre wahrscheinlich das Beste.«
    »Wir können nicht nach Hause!«, sagte ich. »Deswegen sind wir doch abgehauen! Wir haben kein Zuhause mehr, zu dem wir zurückkehren können.«
    »Aber wo wollt ihr denn hin, Kenny?«
    »Das wissen wir noch nicht. Deswegen sind wir erst mal losgegangen.«
    »Um herauszufinden, wohin ihr wollt?«
    »Genau.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das richtig verstehe.«
    »Geht man nicht deswegen weg? Um herauszufinden, wohin man will? Wo man schließlich ankommen will?«
    »Bis dahin

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