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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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schaute der Japaner zu uns herauf. Er blieb stehen.
    »Er winkt!«, sagte Kerstin.
    Der Japaner hatte die Hand gehoben. Er war zu weit entfernt, um ihn genau zu erkennen. Aber er sah japanisch aus. »Er kommt zu uns!«, sagte Kerstin.
    Der Japaner stieg den Abhang herauf. Er trug einen großen Rucksack, genau wie beim letzten Mal. Soweit ich sehen konnte, hatte er kein Schwert, aber auf dem Kopf trug er den dreieckigen Hut der Samurais, den Eboshi, der aus dickem Filz hergestellt war.
    Ich richtete mich auf.
    Fünf Meter von uns entfernt blieb der Japaner stehen. Seine Augen waren größer, als ich geglaubt hatte. Sie waren auch nicht sehr geschützt. Aber die Haare waren tiefschwarz.
    »Habt ihr ein bisschen Wasser?«, fragte er.
     
    Der Japaner hieß Lasse. Er war in den vergangenen Jahren durch Schweden getrampt und hatte auch andere Länder kennengelernt. Das war sein Job.
    »Du hast also geglaubt, ich sei Japaner?«, sagte er.
    Ich nickte.
    »Jetzt bist du enttäuscht, was?«
    »Och nö.«
    »Du bist nicht der Erste«, sagte er.
    Wir saßen im Gras auf dem Hügel. Langsam wurde es kühl, denn es wurde Abend.
    »Es sind die Augen.« Lasse zeigte auf seine Augen. »Das eine ist stärker geschlitzt als das andere, aber das andere ist auch geschlitzt. Ich weiß nicht, woher das kommt. Meine Eltern haben keine geschlitzten Augen.«
    »Und sie sind keine Japaner?«
    Lasse lächelte. »Nein. Der Vater meines Vaters war Seemann, er war zwar mal in Japan, glaube ich, aber das zählt wohl kaum.« Er schaute auf die Straße und die Autos. Dann sah er uns an. »Mögt ihr Japaner?«
    »Wir sind Samurais«, sagte ich.
    »Was macht man da?«
    Ich antwortete nicht. Kerstin war aufgestanden.
    »Möchtet ihr nicht lieber in Japan leben?«, fuhr Lasse fort.
    »Dorthin sind wir unterwegs«, sagte ich.
    »Dann habt ihr ja noch ein ganzes Stück vor euch.«
    »Wohin bist du denn unterwegs?«, fragte Kerstin.
    »Irgendwohin«, sagte Lasse.
    »Dann kommst du aber doch nie an?«
    »Da täuschst du dich. Ich komme immer an. Wenn man irgendwohin unterwegs ist, kommt man immer an.«
    Er zog seinen Rucksack zu sich heran. Kerstin hatte sich wieder hingesetzt. Lasses Rucksack sah aus, als wäre er für die Besteigung des höchsten Berges der Welt geeignet. Der Berg lag in Asien, dort, wo Japan war.
    »Habt ihr Hunger?«, fragte Lasse.
    Wir antworteten nicht.
    »Klar habt ihr Hunger. Das sieht man euch ja schon von weitem an. Ihr seht richtig ausgehungert aus.« Er öffnete eine große Außentasche am Rucksack. »Das ist das Komplizierteste, wenn man unterwegs ist. Man hat dauernd Hunger, und es gibt ja nicht jedes Mal ein Restaurant, wenn man Hunger kriegt. Oder eine Küche, wo man sich etwas kochen kann.«
    Er holte verschiedene Päckchen hervor, die in Butterbrotpapier und braunes Papier eingeschlagen waren.
    »Das Wasser ist alle, aber ich hab hier noch irgendwo eine Flasche Apfelsinensaft. Die hat mir der Autofahrer geschenkt, mit dem ich zuletzt gefahren bin.« Lasse zog die Flasche heraus. »Hier. Teilt sie euch.«
    Er reichte sie Kerstin.
    Sie öffnete sie mit dem Wakizashi.
    »Nicht schlecht«, sagte Lasse.
    Er wickelte seine Päckchen auf. Darin waren Käse, Wurst, Brot und Bananen. Also würde ich heute doch noch Bananen essen.
     
    Lasse stand auf. Er hatte die Reste wieder im Rucksack verstaut. Viel war nicht übrig geblieben.
    »Jetzt wird’s kalt. Ihr könnt hier nicht länger sitzen bleiben.«
    »Wie kommst du an Geld?«, fragte ich.
    »Tja, manchmal arbeite ich ein bisschen, und wenn ich genügend Geld beisammenhabe, ziehe ich weiter.«
    Er begann, den Abhang hinunterzugehen. Wir folgten ihm.
    »Hast du das Reisen nicht irgendwann satt?«
    »Nein.«
    Wir standen am Straßenrand, aber im Augenblick kamen keine Autos vorbei.
    »Wohin in Japan würdet ihr denn fahren wollen?«, fragte er und richtete seinen Rucksack. Lasse war groß, und hin und wieder strich er sich das lange Haar aus der Stirn. Er trug eine schwarze Jacke, eine schwarze Hose und derbe Schuhe aus braunem Leder. Es war gute Kleidung, man sah ihm nicht an, dass er Vagabund war.
    »Japan ist groß«, sagte er. »Dort wohnen viele Leute.«
    »Tokio«, antwortete ich. »Zuerst möchte ich nach Tokio.«
    »Warum?«
    »Es ist die größte Stadt der Welt.«
    »Aha, das stimmt vielleicht.« Er nickte Kerstin zu. »Und wohin möchtest du?«
    »Ich hab mich noch nicht entschieden.«
    »Das ist gut«, sagte Lasse. »Wie alt bist du?«, fragte Kerstin.

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