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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Pflicht, dafür zu sorgen.«
    Plötzlich fühlte ich mich im Auto gefangen. Siv Beckman würde uns direkt beim nächsten Polizeirevier abliefern, und dann wäre unsere Flucht sinnlos gewesen. Dann hätten wir ebenso gut zu Hause bleiben können. Ich glaubte, dass Kerstin es auch so empfand, und ich wusste, dass ich wer weiß was tun würde, um nicht bei der Polizei zu landen.
    »Großmutter kümmert sich um uns«, sagte ich.
    »Wo wohnt sie?«
    »Ich erinnere mich nicht an die Adresse, aber ich bin dort gewesen. Ich weiß, wie das Haus aussieht.«
    »Soll ich das auch glauben?«
    »Ich weiß, wie das Haus aussieht«, wiederholte ich. »Jetzt sind wir bald da«, sagte sie.
    Der Himmel wurde rasch dunkler. So war das im Herbst. Die Dunkelheit überfiel einen förmlich. Im Winter wusste man, dass sie kommen würde, und war vorbereitet. Aber im Herbst kam sie zu schnell.
    In der Stadt war schon die Straßenbeleuchtung eingeschaltet. Wir bogen in einen Kreisverkehr ein. Ich konnte mich nicht erinnern, dass es den beim letzten Mal schon gegeben hatte. Wann war ich das letzte Mal hier gewesen? Vielleicht vor zwei, drei Jahren. Vater war dabei gewesen und Mutter natürlich auch. Wir hatten in einer Laube vor dem Haus Saft mit Großmutter getrunken. Großmutter wohnte im ersten Stock eines kleinen Mietshauses. An dem Haus floss ein Kanal vorbei, über den eine Brücke führte. Wenn man dem Kanal folgte, kam man zur Kirche. Die Kirche lag mitten in der Stadt, an einem Platz, auf dem die Statue eines Soldaten zu Pferde stand. Er hielt ein Schwert in der Hand, einen Säbel. Wer nichts über Schwerter wusste, konnte glauben, es sei ein Katana, genau wie man glauben konnte, ein kurzer Degen sei ein Wakizashi und eine Lanze ein Bokken.
    »Also wo wohnt deine Großmutter?«, fragte Siv Beckman. »Jetzt sind wir in der Stadt.«
    »Bei der Kirche«, sagte ich. »Bei der Kirche am Marktplatz. Von dort aus finde ich zu Großmutter.«
    »Lassen Sie sie bei der Kirche aussteigen«, sagte Lasse.
    »Nein«, sagte Siv Beckman. »Ich will sie bis zur Großmutter fahren. Wir müssen den Kindern helfen.«
    Sie schaute uns wieder im Rückspiegel an. Im Licht der Straßenlaternen und Schaufensterbeleuchtung wirkte sie jünger, jünger, als ich geglaubt hatte. Vielleicht war sie jünger als Lasse.
    »Die können sich selber helfen«, sagte er. »Sie sind alt genug.«
    »Sie wissen nicht, wovon Sie reden.«
    »Was haben Sie für einen Beruf?«, fragte Lasse.
    »Das geht Sie doch nichts an.«
    »Nein, aber ich frage trotzdem.«
    Siv Beckman antwortete nicht.
    »Ich schätze mal, dass Sie Lehrerin sind«, sagte Lasse. »Oder Sozialarbeiterin.«
    Sie schwieg, bog einmal nach links und dann nach rechts ab, und dann sah ich die Kirche. Der Kirchturm wurde von Scheinwerfern angestrahlt. Dadurch sah es aus, als reichte der Turm bis in Gottes Himmel.
    »Krankenschwester«, sagte Lasse. »Sekretärin. Köchin. Zahnarzthelf…«
    »Halten Sie den Mund!«
    Lasse zuckte zusammen.
    »Entschuldigt, Kinder«, sagte Siv Beckman, und ich sah wieder ihre Augen im Rückspiegel. Sie wirkte nicht mehr ängstlich.
    Lasse schwieg, aber ich meinte ein unterdrücktes Lachen gehört zu haben, als sie böse wurde. »Da ist die Kirche«, sagte sie.
    »Hier muss es irgendwo einen Kanal geben«, sagte ich.
    »Das stimmt«, sagte sie.
    »Er führt zu Großmutter«, sagte ich.
    »In welche Richtung?«
    Ich schaute mich um, als wir an der Kirche vorbeifuhren.
    »Das … weiß ich nicht.«
    »Wir müssen anhalten«, sagte Siv Beckman.
    Sie parkte vor einem großen Hotel auf der anderen Seite des Platzes gegenüber der Kirche. Auf einem Schild genau über dem Eingang stand in Neonbuchstaben STADTHOTEL. Alle Fenster des Hotels schienen erleuchtet zu sein, und die breite Treppe war durch Lämpchen illuminiert. Es erinnerte an den Eingang zum Jahrmarkt. Links von der Treppe war ein Straßenlokal. Dort saßen Leute und aßen und tranken. Mir fiel ein, dass der Apfelsinensaft, den ich mir mit Kerstin geteilt hatte, das Einzige war, was wir heute getrunken hatten, und der Gedanke machte mich furchtbar durstig.
    Der Abend war warm wie im Sommer. Früher am Tag war es kühl gewesen, auch als wir durch den Wald gegangen waren, aber in der Stadt war es warm.
    Wir stiegen aus dem Auto.
    »Muss ich mitkommen?«, fragte Lasse.
    »Sie brauchen nirgends mehr mit hinzukommen«, sagte sie. »Sie können gehen, wohin Sie wollen.«
    »Ich kann solange das Auto bewachen.«
    »Das hat ein Schloss und

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