Drachenmord (Funny-Fantasy-Serie: Gesandter der Drachen) (German Edition)
Reseldâr, das Dorf, das näher am Nistplatz lag als irgendein anderes. Von oben sah es freundlich aus. Rauch stieg aus den Schornsteinen und Zäune verliefen wie feine Linien kreuz und quer durch die kleine Ortschaft. Wer Reseldâr schon einmal besucht hat, weiß, dass man dort keine Freundlichkeit kennt. Die Menschen leben schon seit langer Zeit im Dienst der Drachen. Sie schlachten, was gebracht wird und richten es für den Verzehr zu, ganz gleich, ob es sich um rosige kleine Ferkel oder die Überreste eines unvorsichtigen Elfen handelt. (Elfenfleisch ist eine ganz ausgezeichnete Beikost für heranwachsende Drachen, schützt sie vor Krankheiten, gibt ihren Schuppen Glanz und verleiht den jungen Drachen angeblich ihre bezaubernde Stimme.)
Ich sah mit Abscheu auf das Dorf der Scheußlichkeiten herab und war froh, als es außer Sicht geriet. Wir überquerten einen Felsgrat. Tief unten sprudelte ein Bach in einer Kluft, aus der feiner Nebel stieg. Selbst in meiner ungemütlichen Lage konnte ich mich dem Reiz dieses Anblicks nicht entziehen. Wenn ein Sonnenstrahl den Nebel durchdrang, glitzerte das Wasser wie geschliffener Bergkristall. Es roch nach Kühle, nach wettergegerbtem Fels und den Kräutern, die hoch oben in der reinen Luft der Gebirge wachsen.
Doch dann bog Lynfir ins Seitental ab und meine Begeisterung schwand.
Wir hatten den Nistplatz erreicht.
Von dort stieg Wärme auf, die nichts Gutes verhieß.
Und tatsächlich: Kaum hatten mich einige Drachenmütter entdeckt, hörte man auch schon das Entfalten von Schwingen, Zischen, Fauchen und das Kratzen von langen Krallen auf Stein. Natürlich erkannten sie mich.
Sie hätten mir Feuer entgegengespuckt, hätte das nicht bedeutet, Lynfir zu verletzen. So gedankenlos sind Drachen nicht einmal in ihrer größten Wut. Lynfir setzte zum Landeanflug an. Das war nicht eben einfach, denn zwischen den Gelegen war eigentlich nicht genügend Platz, und keine Mutter hätte ihm erlaubt, sich auf ihrem Nest niederzulassen. Lynfir klappte die Schwingen zusammen und ließ sich fallen. Geschmeidig federnd kam er auf. Ich bemerkte es kaum, denn meine ganze Aufmerksamkeit galt den Drachendamen, die nur allzu begierig schienen, mich zu packen und Unerfreuliches mit mir anzustellen. Das Grollen aus über zwanzig Kehlen ließ den Berg erzittern.
Lynfir hielt mich weiterhin fest und nun war ich fast froh darum. Die Drachenmütter ließen sich zwar wieder auf ihren Nestern nieder und das Grollen verstummte, doch wer Drachen kennt, weiß, dass sie umso gefährlicher sind, je weniger Aufregung sie zeigen.
„Anjûl“, zischte eine. „Ist es klug von dir, herzukommen?“
Von der anderen Seite fauchte es: „Drachenmörder!“
Dann erhob sich eine noch junge Mutter von ihrem Gelege.
„Wie ist es dir ergangen, Drachentöter? Wie war es, sich im Evlingstann zu verkriechen und ängstlich zu jedem Wolkenschatten aufzusehen? Wie hat es dem Helden geschmeckt, durch dorniges Gestrüpp zu schleichen? Hat es dir auf einmal genügt, Kröten zu fangen?“
„Für einen allein ist ein Drache zu viel“, erwiderte ich.
„Und warum warst du allein? Nicht vielleicht, weil man in Schattensee den Helden leid war, der sich allzu vieler Taten rühmte, die außer ihm niemand je gesehen hatte? Der ohne die Jungfrauen zurückkehrte und nicht einmal Drachengold im Austausch anzubieten hatte, dafür aber tausenderlei Pläne, die sich alle als Hirngespinste erwiesen?“
„Und wenn es so wäre?“, fragte ich und fand es auf einmal nicht mehr wert, kurz vor meinem Tod noch um einen längst verlorenen Ruf zu kämpfen.
Ihre amethystfarbenen Augen sahen auf mich herab.
„Bah! Ist das alles, was vor dir übrig ist, Anjûl?“
Ich zuckte die Achseln und erwiderte ihren Blick.
„Habt ihr mich holen lassen, um lauwarme Worte zu wechseln“
„Was sonst? Wo ist denn dein Schwert, Drachentöter? Ach ja – ich vergaß –, es entfiel dir auf deiner kopflosen Flucht aus Nergul Dâr! Genau wie all der Plunder, den du dabei hattest. Eines muss man dir lassen, Anjûl: Du kannst rennen !“
In ihrer Stimme war ein sattes Grinsen und ringsum gab es spöttisches Gelächter.
„Haha“, sagte ich. „Witze auf meine Kosten sind wohlfeil. Erzählt man sie sich nicht landauf und landab? Habt ihr es schon nötig, das Gelächter der Drachen mit jenem der Menschen zu vermischen?“
Nun war Veshiras Grinsen nicht mehr nur zu hören, sondern auch zu sehen. Ja, Drachen können grinsen und zwar außerordentlich
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