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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Erde; haufenweise kohlrabenschwarze, aber nicht völlig verbrannte Gegenstände lagen herum; vermutlich eben jene »Modelle« …
    Was hatte der kleinwüchsige Dickwanst beim letzten Mal gesagt? »Geh ins Wäldchen«? Dann würde er dieser Aufforderung jetzt nachkommen.
    Viktor nahm wieder den von ihm selbst gespurten Pfad, denn das Gras hatte sich noch nicht wieder aufgerichtet. Er spürte, wie die scharfen Halme in seine Beine stachen, versuchte aber, nicht darauf zu achten. Es war nur ein Traum, nichts weiter. Es würde nichts Schlimmes passieren. Besser, er freute sich an der Landschaft … obwohl, das war kaum möglich, sie war einfach zu unnatürlich. Wie das
Bild eines Surrealisten, das mit schreiend grellen Farben gemalt war.
    So weit das Auge reichte, halbdurchsichtige Berge. Wenn man genau hinschaute, konnte man durch diese hindurch – wie durch einen Schleier – die Umrisse weit entfernter Räume erkennen. Oder war das etwas anderes? Erzene Adern, gigantische Goldklumpen … In den Grauen Bergen gibt es Gold.
    Der dunkel-violette Wald kam näher. Schon konnte Viktor die Form der Blätter ausmachen; sie waren schmal, scharf und unnatürlich gleichförmig, fast so, als ob diese Bäume hier keine Jahreszeiten kannten, kein Abwerfen des Laubs und keine Erneuerung.
    »Hausherr!«, rief Viktor. Da der Dickwanst nicht erschien, beschloss er, zumindest den Schein der Höflichkeit zu wahren. »Erwartest du jemanden?«
    Keine Antwort. Aber er hatte keinen Zweifel, der andere würde auftauchen. Vielleicht beobachtete er ihn schon. Wartete noch auf etwas, auf den richtigen Moment …
    Die Wiese aus Riedgras war zu Ende, unter den Füßen spürte er jetzt weiches Gras. Viktor beschleunigte seinen Gang und trat unter das violette Dach des Waldes.
    Nichts Ungewöhnliches. Ein normaler Wald, nur violett. Aber sonst … die Luft war frisch, lebendig, es herrschte Stille …
    Nein. Die Stille hatte etwas Vorsätzliches. Es war zu still. In einem lebendigen Wald gab es immer irgendwelche Geräusche, Rascheln, Bewegung. Aber dieser hier schien zu schlafen.
    Viktor ging weiter. Er hatte keine Angst, sich zu verlaufen; wie auch, es war doch nur ein Traum. Dennoch … Irgendwas begann ihn zu bedrücken. Er konnte es nicht sehen,
wohl aber spüren. Als würde irgendeine Kleinigkeit fehlen, ohne die diese Welt verblasste, zur Kulisse eines Alptraums wurde – wie in jenen Träumen, in denen die Hand nach dem Schalter tastet und die Lampe angeht, aber schwach und düster, so dass die Dunkelheit sich noch verstärkt, dichter wird und immer undurchdringlicher …
    Er schüttelte sich. Was sollte das alles! Es gab hier zwar keine Sonne, aber es war trotzdem hell! Weit und breit keine Monster und keine Magier. Woher rührte nur seine düstere Vorahnung?
    Mehrmals hatte er das Gefühl, dass etwas in seinem Rücken raschelte. Viktor blickte sich um, aber der violette Wald war menschenleer. Offenbar handelte es sich wirklich nur um ein Gefühl … Und als die Bäume nun weniger dicht standen und er auf eine Lichtung gelangte, konnte er einen Seufzer der Erleichterung nicht unterdrücken.
    Auf der Lichtung stand ein kleines Haus. Kein Lagerhaus wie das an der Küste, sondern ein gewöhnliches Holzhaus mit einem Schieferdach und einer grün gestrichenen Veranda, von der die Farbe abblätterte; an den Fenstern hingen weiße Vorhänge.
    Viktor musste lachen, denn einerseits wirkte dieses Häuschen im violetten Wald völlig unpassend, und andererseits wurde ihm bei seinem Anblick ganz leicht ums Herz. Hier würde der dicke Alchimist ja wohl kaum wohnen. Gott sei Dank! Auf Scheusale wie den konnte er gut verzichten! Zum Hals hingen sie ihm raus!
    Viktor ging auf die Tür zu, streifte seine Füße sorgfältig auf der Fußmatte ab und klopfte. Keine Antwort. Er schob die nicht verschlossene Tür auf, die leise quietschte. Die Veranda war leer, nur eine Hängematte schaukelte sanft zwischen den Wänden.

    »Ist jemand zu Hause?«
    Das schien neuerdings seine Lieblingsfrage zu sein.
    Stille.
    So schien die Lieblingsantwort zu lauten.
    Viktor betrat die Veranda. Öffnete eine zweite Tür, blickte hinein und sah ein großes reinliches Zimmer. Darin stand ein kleiner Holzofen, wie man ihn in Datschen findet; ferner ein Tisch mit einer bunten Wachstuchtischdecke darauf und einem Holzuntersetzer, auf dem eine dampfende Pfanne mit Bratkartoffeln und Pilzen stand; daneben befanden sich Gläser mit Milch und ein Krug sowie in dicke Scheiben geschnittenes

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