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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Viktor schüttelte den Kopf. »Meine Klinge reicht mir.«
    Und jetzt vorwärts, in die dunkle Ecke des Saals, zu der fest verschlossenen Tür. Was war das überhaupt für eine Tür? Wohin führte sie? Was für Annehmlichkeiten konnte der Hausherr seinen Bankettgästen noch bieten? Was immer sich hinter dieser Tür befand, es war ausgeschlossen, sie mit der Schulter aufzudrücken, mit den Händen zu öffnen oder mit dem Schwert zu zerstören. Sie bestand aus dicken Holzdielen mit Eisenbeschlägen, die nur auf den ersten Blick zum Schmuck dienten; denn woher rührten die alten, dunkel gewordenen Kerben im Holz, und warum waren die Beschläge voller Kratzer, ganz so, als ob hier schon so mancher vor der Tür gestanden und in ohnmächtigem Zorn mit dem Schwert auf sie eingeschlagen hätte …?
    Hinter sich hörte er die Schritte der Tanzenden, scheinbar bewegten sie sich im Takt der Musik, aber er wusste, alle Augen blickten in seine Richtung, und keiner wollte auch nur einen Augenblick des bevorstehenden Schauspiels verpassen.
    Ein schwacher Schrei ertönte hinter der Tür, oder war ihm das nur so vorgekommen? Ein schwacher Schrei, erstickt von einer Hand über dem Mund …

    Und der blutrote Hass, der auch in Viktors Seele wohnte, loderte wieder in einer blendenden Flamme auf; sprengte Lojs sorgsam gewirkte Fesseln und befreite die dienstbare Kraft aus seinem tiefsten Inneren.
    Viktor schwang den Arm, und die Gobelins an den Wänden erzitterten; jämmerlich klirrend zersprangen die schmalen Glasfenster; Kerzen und Fackeln flackerten ein letztes Mal wild auf, ehe sie erloschen; Geschirr wurde von den Tischen gefegt – als die gehorsame Luft dem Ruf ihres Meisters folgte. Zusammengeballt zu einer fest geschlossenen, unsichtbaren Faust raste das Element durch den Saal, hielt – von Viktors Willen geleitet – eine Sekunde lang inne und stürzte dann auf die Tür nieder.
    Holzsplitter und Metallstücke flogen durch den Raum. Der Rammsporn der Luft sprang zurück und umhüllte Viktor mit einem kochenden Schleier.
    Ein Durchgang öffnete sich – in ein kleines Zimmer ohne Fenster. Drei Fackeln brannten an den Wänden, ihr Licht wurde von einer Spiegeldecke zurückgeworfen. Das Mobiliar bestand nur aus einem riesigen Bett, etwas anderes hätte auch kaum in dem schmalen steinernen Gelass Platz gefunden … Ein großer Holzkübel mit Wasser stand auf dem bunten Teppich, Kleidungsstücke lagen verstreut umher. Der nackte und deshalb unerträglich lächerliche, ausgezehrte Magier Andrzej stand über Tel, drückte sie aufs Bett und versuchte, ihr den Rock runterzureißen. Tels Oberkörper war bereits entblößt, und sie versuchte mit schwacher Gegenwehr das Letzte zu verteidigen.
    »Was?« Der Magier schrie auf und drehte sich nach dem Geräusch um. Er war zu sehr damit beschäftigt, die junge Zauberin ins Studium einzuführen, um zu bemerken, auf welche Weise die Tür geöffnet worden war. »Knecht!«

    Er ließ Tel los und bewegte die Hände. In einer knappen Geste, wie einer, der Fliegen verscheuchte.
    Die Decke erbebte, Steinbrocken fielen auf Viktor nieder. Die Hülle aus Luft, die ihn umgab, heulte auf, als die beiden magischen Wellen aufeinanderstießen. Die Steine wurden zu Staub zermalmt, der auf den Boden rieselte und dort kleine Sandhaufen hinterließ.
    Im Saal erklang Geschrei. Dort hatten die Leute als Erste begriffen, dass hier nicht einfach jemand totgeschlagen werden würde.
    »Fasst ihn!« Die Stimme des Fürsten durchdrang unerwartet laut und stark das Heulen und Schreien.
    Ein Schlag von hinten hätte ihm gerade noch gefehlt! Viktor verlor die Beherrschung, der Zorn gellte, sein Körper war erfüllt vom Zittern. Zu Staub zertreten! Das Schloss bis auf seine Fundamente zertrümmern, bis zu den modrigen Kellern!
    Er sah es nicht, denn wie sollte er es durch die Mauern sehen, aber er wusste, dass sich am Himmel über dem Städtchen rasende, brüllende Wolken türmten, dass die Fenster in den Häusern zersprangen, die zerbrochene Saat sich krümmte, dass es von den flammenden Blitzen taghell geworden war. Und dass sich die satten Vasallen der Erde in ihren Kellern versteckten und zu ihren Magiern beteten.
    Zu Staub!
    Ganz und gar!
    »Du bist ein Magier«, winselte Andrzej. »Du … du …«
    Die Finger zu einem Fächer ausgestreckt, begann er eilig Formeln zu flüstern. Ein gedehntes unterirdisches Donnern wälzte sich durchs Schloss. Der Boden erbebte. Die Wände krümmten sich, als ob im Innern der Steine

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