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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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lachte, mit einer dünnen, zitternden Stimme. Sie sagte etwas, stockte, so als würde ihre Zunge ihr nicht mehr gehorchen. Viktor drehte sich um.
    Der Magier Andrzej half Tel vom Tisch aufzustehen. Das Mädchen schwankte und lachte dabei unaufhörlich.
    »Tel, es ist Zeit …«, begann Viktor und unterbrach sich, als seine Augen den zornigen Blick des Erdmagiers trafen.
    »Iss und trink, so viel du magst, lieber Gast!«, forderte Andrzej ihn mühsam beherrscht auf. »Such dir eine Freundin unter den Dienerinnen. Vergnüg dich und lass es dir gutgehen, deine Schwester steht unter meinem persönlichen Schutz!«
    Tel, die an dem Magier hing, warf Viktor einen glasigen Blick zu und murmelte gedehnt: »Es-s is-s so lus-stig …«
    Viktor blieb der Bissen im Hals stecken, und der Wein hatte mit einem Mal jeden Geschmack verloren. Lustlos stocherte er im nächsten Gang herum, diesmal einem Teller mit zehn verschiedenen Sorten Fleisch in scharfer Sauce. Rings um ihn herum wurde geschmatzt und gerülpst; hicksend, nuschelnd und grölend erzählten sich die Gäste ihre Geschichten.

    Der Fürst saß reglos auf seinem Thron und blickte wohlwollend auf seine Untertanen. Dann lächelte er Viktor freundlich zu.
    Tel kreischte leise auf.
    Viktor drehte sich um und sah gerade noch, wie der Magier seinen neckischen Arm zurückzog. Er und Tel tanzten, langsam durchquerten sie den Saal. Immer mehr Paare gesellten sich dazu und drängten sich auf der freien Fläche. Der Magier blickte über Tels Schulter zu Viktor hin und fletschte kurz die Zähne.
    Setz dich, und rühr dich nicht …
    Sie verschwanden irgendwo im Dunkeln.
    Viktor wandte sich heftig zum Fürsten um. Er blickte in nachsichtige, verständnisvolle Augen.
    »Eure Durchlaucht, gestattet mir etwas zu sagen …«
    Der Fürst hob die Brauen und nickte.
    »Eure Durchlaucht, für meine Schwester ist es Zeit, schlafen zu gehen.«
    »Der Magier Andrzej wird sich um sie kümmern, Jüngling. Sei unbesorgt.«
    Der Fürst war durch und durch gutmütig und wohlwollend.
    »Fürst, die Magier sind sehr schwärmerisch veranlagt … ihre Macht lässt sich nicht mit den schwachen menschlichen Kräften vergleichen. Ich glaube, Tel begreift nicht ganz, was vor sich geht.«
    Der Fürst schüttelte den Kopf. »Jüngling, alle haben ihre Schwächen. Die großen Magier haben das Recht auf ein wenig Nachsicht … von unserer Seite, von uns Sterblichen. Beunruhige dich nicht.«
    Verzweifelt blickte Viktor über seine Schulter. Der Magier und Tel waren schon im hintersten unbeleuchteten Winkel
des Raumes verborgen. Für einen Augenblick wurde ein Lichtstreifen sichtbar, eine Tür wurde geöffnet und fiel dann wieder ins Schloss.
    »Fürst!«
    »Feier weiter!«
    Viktor sprang auf, so dass der schwere Eichenstuhl nach hinten kippte, einem tanzenden Paar direkt vor die Füße. Verständnislos blickten ihn die Leute an.
    »Ist dir dein Leben nicht lieb?«, fragte der Fürst. »Ich habe nicht die Absicht, einen dummen Untertan zu beschützen.«
    »Und wirst du ihn daran hindern, seine Ehre zu verteidigen?«
    Der Fürst öffnete die Arme. »Wenn deine Ehre dich in den Tod schickt … So beruhige dich doch. Das Mädchen wusste, was es tut. Das habe ich in ihren Augen gesehen.«
    Viktor drängte sich schweigend durch die tanzende Menge.
    »Lasst ihn durch«, befahl der Fürst hinter ihm. »Er hat es selbst so gewollt …«
    Ganz recht, warum sollte der Fürst sein Ansehen mit dem Mord am Bruder einer zukünftigen Zauberin beschmutzen? Sollte doch der Magier mit ihm fertig werden …
    Die Leute blieben stehen und traten zur Seite. So seltsam es war, aber Viktor sah in vielen Augenpaaren Verständnis und Mitgefühl. Das hieß, dass die Leute mitbekommen hatten, was vor sich ging.
    War diese kauende, schnaufende Masse tatsächlich dazu in der Lage, ihn zu verstehen? Ein Mann mittleren Alters, der in dunkelroten Farben gekleidet war, einen Brustharnisch trug und eine Schwertscheide am Gürtel, blieb vor ihm stehen. Er legte die Hand an den Schwertgriff und zog die Klinge halb heraus.

    Was?
    Viktor spürte, wie sich die Kraft der blinden Wut in ihm regte und zunahm. Die wichtigste Waffe des Drachentöters …
    »Dein Schwert ist ein armseliges Stück Stahl«, sagte der Ritter in Dunkelrot leise. »Nimm meines.«
    Der Zorn legte sich, löste sich in Verständnislosigkeit auf, während Viktors Augen den festen Blick des Ritters trafen.
    »Ich weiß, was das Wort Ehre bedeutet. Nimm mein Schwert.«
    »Danke.«

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