Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow
Haut, wie sich Andrzejs Formel um sie zusammenzog; wieder war sie unerhört kompliziert, verworren, Anfang und Ende waren ineinander verwoben, die Schatten irgendwelcher Monster tauchten auf; in Wellen erschienen Tiere, Katzen, Bären, riesige Insekten, gigantische Eidechsen; Schwindel überfiel Viktor. Er fühlte, dass die Macht dieser Formel ungeheuer groß war; und sobald sie ungehindert auf sie losbrach, würden die Felsen Loj, Tel und Viktor zu Staub zermalmen, und selbst seine Erdweihe würde ihm dann nichts mehr nützen.
Er hatte nicht die Zeit für einen ordentlichen Gegenschlag, gleich würde seine dünne Schutzhülle platzen; Viktor schickte einen pfeifenden Luftspeer los. Und wie es aussah, warf der Speer den Erdmagier um. Seine Gardisten hatten ihrerseits die Lust verloren, auf sie loszustürmen, nachdem Loj noch zwei ihrer Kameraden aufgeschlitzt hatte.
»Lauft los!«, rief Tel. Schwankend setzte sich Viktor in Bewegung. Der Schlammstrom hatte einen neuen Weg geschaffen, als hätte ein riesiges Tier ihn mit der Zunge ausgeleckt.
Bergab zu laufen war leicht. Weiter rechts von ihnen kämpften die Krieger vom Clan der Luft und vom Feuer noch mit den Ungeheuern der Luft, des Wassers und der Erde, die Viktor erschaffen hatte. Hier brüllte eine Flamme, dort heulte ein Wirbelsturm. Tel hatte wohl beschlossen, die Gunst des Augenblicks zu nutzen. Hinter ihnen prasselten
wieder Schüsse; nur gut, dass Viktors Wirbelsturm den Musketieren den Sand in die Augen fegte und sie von ihrem Ziel ablenkte.
Wahrscheinlich war es der letzte Vorstoß, ein verzweifeltes Unterfangen. Sie hatten schon begriffen, dass sie den Drachentöter nicht überwältigen würden, aber sie wollten es sich einfach nicht eingestehen. Und dieser Schlag der Luft, der besser gezielt war als alle vorherigen, hätte um ein Haar sein Ziel erreicht.
Viktor wurde umgerissen und über den Erdboden geschleift. Er hatte das Gefühl, zu hören, wie seine Rippen knackten, und das stumpfe Ende eines todbringenden Speers begann sich geradewegs in sein Herz zu bohren.
Nein!
Tel hatte geschrien, oder war das seine eigene, vom Schmerz heisere Stimme gewesen, während er sich im Todeskampf herumrollte?
Ausrotten würde er sie!
In diesem Moment hörte er auf, an sich selbst zu denken. Fast blind vor Schmerz streckte er sich mit allen verbliebenen Kräften seinen Feinden entgegen. Luft, Erde und Wasser vereinigten sich. Vor den schreckstarren Augen seiner Widersacher entstand ein richtiges kleines Haus, das wie in Zeitlupe in Stücke gesprengt wurde. Zum Dach hinaus in die Luft spritzten Erdfontänen, als würde ein schweres Geschütz nach dem anderen in seinem Inneren explodieren.
Für einen Moment waren die Silhouetten eines Jungen, einer fülligen Frau und dreier Männer zu sehen, ehe sie in einem unvorstellbaren Wirbel verschwanden.
Augenblicklich wich der Schmerz von Viktor.
Viktor, Loj und Tel erreichten bereits das Ufer am Rand der Stadt, als aus einem Winkel eine schmale Gestalt auf
sie zutrat, von Kopf bis Fuß in den dunkelroten Umhang vom Clan des Feuers gehüllt.
»Eine Formel«, krächzte Loj.
Das Mädchen stand einfach so da, ohne sie anzugreifen. Ihre Augen waren voll und ganz auf Viktor gerichtet. Er hatte keine Kräfte mehr übrig. Und vor allem keine Wut.
»Gleich …« Loj trat mit schwerem Schritt auf die Magierin des Feuers zu. »Diese verdammte Göre war auch bei Ritors Hinterhalt dabei … gleich werde ich sie …«
Der dünne Arm der Magierin war geradewegs auf Viktors Brust gerichtet. Und der stand da, zwinkerte unbeholfen mit den Augenlidern, war nicht fähig sich zu rühren, sich wenigstens auf den Boden zu werfen, zu ducken …
Aus den Fingern des Mädchens floss eine Flamme.
Eine grimmige, surrende, versengende Flamme; eine rötliche Welle traf Viktor an der Brust, aber sie warf ihn nicht um und verbrannte ihn auch nicht. Durch das wahnsinnige Tanzen der rötlichen Zungen tauchte das Gesicht der Magierin auf. Ihre Augen blickten ihn an … Mit Hass? Voller Furcht? Oder … mit Begeisterung? Mit Ehrfurcht vor der Kraft? Ihre Lippen bewegten sich lautlos, Viktor konnte die Worte nicht verstehen. Das Feuer drängte sich in ihn, kroch in sein Innerstes und richtete sich dort ein, wie ein Tier in einer Höhle, das bereit ist, jeden Augenblick ins Freie zu springen.
Die Kraft seufzte weich. Jetzt war sie ganz. Vier Elemente verschmolzen im Gleichgewicht miteinander, und Viktor fühlte, dass sein Körper unvorstellbar
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