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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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vermutlich würde er am Leben bleiben. Er stöhnte nur, unfähig zu sprechen, aber Sandra flüsterte etwas vor sich hin. Ritor neigte sich zu ihr, ließ mit einer leichten Bewegung etwas Kraft in sie fließen. Ganz wenig nur, denn es war nicht der Moment, sich selbst zu schwächen, indem man Freunde rettete …
    »Me siento mal … duele el corazón …«
    Offenbar fand die Zauberin im Schock zu ihrer Muttersprache zurück. Ritor legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter und sagte: »Halt durch! Kan wird dir helfen. Halt durch, alte Meereshexe … Piratin …«
    Sandras Augen blickten für einen Augenblick klar. »Was für eine Piratin … mir wird doch schon bei schwachem
Seegang übel … eine Hure in einem Hafenbordell war ich, am Cap Finisterre … bevor ich hierherkam …« Sie schloss die Augen.
    Und da begann Ritor zu lachen. Mit schrecklicher Grabesstimme. Der Stimme eines Mannes, der keine Ruhe findet. Er würde die Jagd nicht aufgeben. Auch wenn ihm klar war, dass die Sache so gut wie verloren war. Der Drachentöter war schon auf der Insel … Er selbst würde bedeutend länger brauchen, um dorthin zu kommen.
    »Kümmert euch um sie!«, bellte er Kan an, der an seiner Seite auftauchte. Endlich war sein Bruder mal zur richtigen Zeit am richtigen Ort. »Schnell!«
    Er musste Kan nicht zweimal bitten.
    »Ich benötige Magier, Ritor! Sie sind sehr schwer verletzt!«
    »Hol dir, wen du brauchst. Ich muss weiter!«
    »Das ist Wahnsinn, Bruder!«
    Ritor versetzte Kan mit aller Kraft eine Ohrfeige. Eine ganz normale, nicht magische Ohrfeige. »Sandra und Asmund müssen am Leben bleiben! Wenn sie sterben, vernichte ich dich!«
    Kan schwankte und blickte seinen Bruder entsetzt an. Aus seiner gebrochenen Nase schoss Blut.
    »Schnell, hierher! Kommt gefälligst hierher! Kümmert euch um die Verletzten!«, schrie Ritor mit durchdringender Stimme. Mehrere Magier, sowohl der Luft als auch des Feuers, rührten sich.
    Ritor gestattete sich eine weitere Sekunde der Verzögerung. »Verzeih, Kan. Ich muss weiter.«
    »Ich bin dir nicht böse, Bruder«, erwiderte der Giftmischer leise. »Den Jungen kann ich retten … aber Sandra … das weiß ich nicht, ich werde tun, was in meiner Macht steht …«

    »Leb wohl, Kan.«
    »Leb wohl, Ritor …«
     
    Natürlich war am Ufer weit und breit keine Spur von einer Tür zu sehen. Es gab eine Bruchstelle, das Flimmern dunkelroten Feuers in einem von goldenem Leuchten erfüllten Schlund. Ein Brunnen verdrängte Erde und Wasser und führte in die Tiefe; Tel stand bereits auf dem Brunnenrand wie auf einer Schwelle und duckte sich zum Sprung.
    Die blutrünstig lächelnde Loj rannte zu ihr, mit dem weichen Schritt einer jagenden Raubkatze. Im Lauf leckte sie sich die blutigen Finger der rechten Hand, und Viktor konnte nur mit Mühe begreifen, dass sie mit diesen fünf Fingern, die so zärtlich sein konnten, soeben einen menschlichen Körper aufgeschlitzt hatte, so dass ihre blutigen Krallen am Rücken des Opfers wieder heraustraten. Sein Schrei war viel zu spät gekommen. Loj hatte ihn eben verteidigt, so gut sie es vermochte.
    »Schneller! Ritor wird gleich hier sein!«, rief Tel. Ihre Stimme brach.
    Trotzdem neigte sich Viktor doch zu dem leblosen Mädchen vom Feuerclan, berührte mit unsichtbaren Fingern ihr stilles Herz … und von seiner Berührung erzitterte es, pumpte das Blut, einmal, zweimal – und das Mädchen stöhnte auf.
    Sie wird leben, dachte er ganz banal.
    Viktor wandte sich zu Tel. Hinter ihm schoss ein mächtiger Schlammstrom heran, bis zum Kochen aufgeheizt von den Anstrengungen der Feuermagier; der Strom wälzte sich aufs Meer zu und begrub unterwegs Häuser, als wären sie Spielzeugschachteln; die Verteidigung der beiden Clans war zusammengebrochen, und sie waren nur noch dazu imstande,
die gewaltige Lawine dort entlang zu leiten, wo sie am wenigsten Zerstörung anrichten konnte. Durch Rauch und Dampf, durch den vom Wind aufgewirbelten Sand konnte man nichts erkennen; daher sah Viktor nicht, als er hinter Tel und Loj in den Brunnen tauchte, wie sich ein alter Magier im Gewand des Luftclans mit einem vor Entsetzen und Wut entstellten Gesicht aus dem grollenden Chaos löste. Er wurde von einem wilden, wahnsinnigen Gelächter geschüttelt und stürzte sich Hals über Kopf hinter ihnen in den Brunnen.
    Aus dem Rauch, aus Dampf- und Staubwolken trat noch eine weitere menschliche Gestalt hervor. Der Magier der Erde, Herr Andrzej, er sprang mit Anlauf aufs

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