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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Großmutter Vera.
    Woher kommst du, Tel? Du hast in der Welt von Casinos und Mercedes-Limousinen nichts verloren. Aber ebenso wenig in schmutzig-grauen, schlafenden Dörfern …
    Der Metrozug fuhr in die Schtschukinskaja-Station ein, und sie stiegen aus. Weiter ging es mit der Straßenbahn, die gemütlich vor sich hin zuckelte.
    Ganz allmählich stieg Verwunderung in ihm auf. Vor ihnen erstreckte sich Wald, genauer gesagt Serebrjany Bor 2 ,
wo die Neuen Russen 3 wohnten. Tel sah ganz und gar nicht wie ein Töchterchen aus einem solchen Haus aus.
    »Wohin fahren wir?«
    »Sei still!«, unterbrach Tel ihn ärgerlich. »Es kann sein, dass sie auf uns warten.«
    Wie konnte es sein, dass sich ein erwachsener, erfahrener Mann, der schon einiges gesehen hatte, einem dreizehnjährigen, rotznasigen Mädchen unterordnete? Einen ordentlichen Klaps auf den Hintern hatte sie nötig, nicht mehr.
    Dennoch verstummte Viktor aus irgendeinem Grund.
    Sie kamen an einem FKK-Strand vorbei. Eine Gruppe nackter Männer hüpfte über den Sand – sie spielten Volleyball. Es war ein komisches Schauspiel, aber die vielen nackten Frauen und Kinder rundherum gaben dem Anblick eine alltägliche Note.
    Viktor lag ein ironisches »Ich hoffe, wir müssen dahin« auf der Zunge, aber Tel zog schon die Augenbrauen hoch, und ihm verging die Lust, einen Witz zu machen.
    Sie wanderten einen schmalen Pfad entlang, der unerhört menschenleer für einen Tag wie diesen war.
    »Jetzt musst du aufpassen«, verkündete Tel. »Für sie ist es am günstigsten, wenn sie uns am Übergang erwischen. Dann gibt es keine Spuren. Weder hier noch dort. Falls etwas passiert, wirf dich zu Boden und zieh den Kopf ein. Ich werd schon allein mit ihnen fertig.«
    »Hast du einen schwarzen Gürtel oder was?«, erkundigte sich Viktor. Er hatte früher mal eine Weile Karate gemacht, sicher, er war alles andere als ein Chuck Norris oder ein Bruce Lee, aber er konnte sich ganz gut verteidigen. Natürlich nur, wenn er nicht gerade zehn Mann mit Maschinengewehren gegenüberstand oder mit Schwertern.

    »Sei still, bitte! Ich hab es dir doch schon mal gesagt!« Sie behandelte ihn wie eine ältere Schwester ihren kleinen begriffsstutzigen Bruder.
    Der Pfad machte eine Biegung und folgte dann einem kleinen Hügel hinunter. Tel blieb stehen.
    »Wenn was passiert, wirf dich auf die Erde und zieh den Kopf ein«, wiederholte sie.
    »Schon gut, ich hab’s verstanden.« Viktor winkte ärgerlich ab. Das fehlte noch, dass dieser Zwerg ihn ständig belehrte.
    »Neun, acht, sieben …« Tel fing an, die Schritte zu zählen. Viktor überschlug im Geiste die Entfernung – ja, genau zehn Schritte bis zur Stelle, wo der Weg eine Kurve beschrieb und nach unten führte.
    »Sechs, fünf, vier.«
    Das Mädchen war ungewöhnlich, ja fast übernatürlich konzentriert. Wenn dies ein Spiel war, dann glaubte sie jedenfalls fest daran.
    Plötzlich trafen ihn eiskalte Wassertropfen auf der Schulter. Automatisch blickte Viktor zum Himmel – weit und breit war keine Wolke zu sehen, der Himmel war klar, die Sonne strahlte, wie auf Bestellung.
    »Lauf los«, schrie Tel. Sie packte ihn an der Hand und stürzte Hals über Kopf um die Kurve. Viktor rannte hinter ihr her.
    Ein wahrer Wolkenbruch ging auf ihre Köpfe nieder, Viktor wurde dunkel vor den Augen. Über seinen Rücken liefen kalte Rinnsale. Der Wind pfiff.
    »Schneller!«, kreischte Tel. Ihr Gesicht war vor Schmerz verzerrt. So völlig durchnässt hatte sie auf einen Schlag ihre ganze Rätselhaftigkeit eingebüßt. Ein ganz normales kleines Mädchen, das in einen Regenguss geraten war.

    Ihre Hände tanzten über ihrem Kopf. Viktor schien es, als ob zwischen ihren Fingern mit den vergoldeten Nägeln Blitze aufzuckten.
    Zum Teufel noch mal, was ging hier vor?
    Sie rannten den schmalen Pfad hinunter, der augenblicklich aufgeweicht war und sich in einen Morast verwandelte. Unter Tels Füßen spritzten Wasserfontänen auf, sie sank fast bis zu den Knöcheln im Schlamm ein.
    Viktor kam nicht dazu, sich darüber zu wundern, dass er selbst ganz normal laufen konnte, höchstens etwas schlitterte. Dabei wog er doch viel mehr als das Mädchen, eigentlich müsste er einsinken …
    Wegen des Regens hielt er seinen Blick vor sich auf die Erde gerichtet. Wahrscheinlich hatte er intuitiv gespürt, wann er den Kopf heben musste.
    Sie waren rechts und links von ihnen aufgetaucht, acht durchnässte Figuren in ausgebleichten Trainingsanzügen, wie man sie von den Typen auf

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