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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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mitten im Satz.
    »Wenn mich nicht alles täuscht, ja«, antwortete Loj. »Ich gehe jetzt zu ihnen, Chor. Und du machst die Unsrigen bereit.«
    »Sollen wir sie unbemerkt aufs Korn nehmen?«, erkundigte sich Chor eifrig. Er galt als unübertroffener Meister im Nahkampf ebenso wie bei scharfen, schnellen Gefechten in der Dunkelheit, wenn man nicht wusste, wer Feind und wer Freund war. Aber wenn es darum ging, wem man aus taktischen Gründen als Erstes ein vergiftetes Pfeilchen ins Auge jagen sollte, verließ er sich voll und ganz auf Loj, die sich noch nie getäuscht hatte. Ein Kampf mit Torns erfahrenen Soldaten wäre vielleicht der Anfang vom Ende für den Clan der Katzen; aber wer hätte Chor nachsagen wollen, dass er Angst hatte?
    »Bist du verrückt geworden?« Loj fasste sich an den Kopf ohne Rücksicht auf ihre kunstvolle Frisur. »Das ist auf jeden Fall eine Beleidigung. Im Gegenteil, sie dürfen uns ruhig sehen. Sie sollen begreifen, dass wir kämpfen werden. Bis zum Ende. Und ich … ich kümmere mich jetzt um die Gäste. Ich sage dir Bescheid, was los ist. Und dann … ich werde etwas unternehmen müssen. Nur ärgere dich nicht,
ich bitte dich. Denk an das Wohl des Clans! Wie schön, dass das Wohl des Clans manchmal mit den eigenen Wünschen zusammenfällt …«
    »Eines Tages werde ich sie alle erschlagen«, knurrte Chor ohnmächtig, »und zwar ganz ohne irgendwelche Magie!«
    »Mach keine Dummheiten, mein Lieber.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn zart auf die Schläfe wie eine Schwester. »Bring die Unsrigen in Stellung. Und ich werde mir eine glühende Rede zurechtlegen … nein, damit verderbe ich nur alles. Erst mal werde ich gar nichts zu unseren Gästen sagen. Verlier keine Zeit, Lieber! Und verschling mich nicht mit den Augen. Tu was!«
     
    Ritor stand in Gedanken versunken neben dem warmen Hauptstamm, der wie ein lebendiger Körper wirkte. Zauberer unterscheiden sich dadurch von normalen Sterblichen, dass sie in jeder Situation nachdenken können. Selbst wenn ihr eigenes Leben in Gefahr ist, bedeutet das nur ein zusätzliches Thema der Reflexion … Torn hatte keinen Scherz gemacht. Dazu war er gar nicht fähig, dieser aalglatte, erfolgreiche Anführer des Wassers, der talentierte Zauberer, der fast schon geborene Magier. Er wusste genau, was er wollte, und ging unbeirrbar auf sein Ziel zu. Wenn nötig, ohne jede Rücksicht, aber manchmal auch lavierend. Er war ganz und gar nicht der typische Bösewicht aus dem Buch, kein machtbesessener Tyrann oder etwas in der Art. Er wollte einfach die bestehende Ordnung aufrechterhalten … oder etwa doch nicht? Warum warf Torn ihm so hartnäckig vor, dass er die Macht usurpieren wolle? Doch nicht, weil er insgeheim selbst danach strebte? Nein, Unsinn. Ritor lachte sogar auf. Viele hatten in der Vergangenheit bereits versucht, ein einziges, allumfassendes Königreich in der
Mittelwelt zu errichten. Unmöglich. Das Wasser konnte das Feuer nicht beherrschen, und die Erde nicht die Luft. Selbst die Geflügelten Herrscher hatten sich nicht die Mühe gemacht, der fragilen Gemeinschaft der Clans auch nur den Anschein von Einigkeit zu verleihen, obgleich gerade die Drachen dabei nicht auf Widerstand gestoßen wären …
    Er dachte nach und hinterfragte sich augenblicklich. Wären sie wirklich nicht auf Widerstand gestoßen? Und er selbst?
    Was hast du dir bloß gedacht, Torn? Hat dich die alte, allzu menschliche Eitelkeit gepackt – die dir einredete, dass alle außer dir Dummköpfe sind, dass du allein weißt, was zu tun ist?
    Kaum, schließlich bist du alles andere als dumm. Oder siehst du dich als Retter der Welt? Aber selbst wenn du mich besiegst, was möglich ist – des Nachts ist meine Kraft schwach und die Kraft des Wasser stark -, selbst dann wirst du die Angeborenen nicht aufhalten können. Und das bedeutet, dass ich jetzt nicht sterben darf. Ich würde freudig mein Leben geben – sogar dir, Torn -, wenn uns das vorm Untergang bewahren würde. Aber das tut es nicht. Wenn die adlerköpfigen Schiffe aus dem Rauch hervorkommen, bleibt uns nur noch ein Ausweg – in Würde zu sterben. Und wenn die Angeborenen zu zahlreich sind, dann wird uns selbst dieser Weg versagt sein.
    Das heißt, ich muss mich durchschlagen, entschied Ritor pragmatisch. Wie satt ich das habe. Es kommt mir so vor, als hätte ich jeden einzelnen Tag meines Lebens damit verbracht, mich durchzuschlagen. Und so etwas gilt dann als größte Heldentat. Ich habe mich

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