Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
Feindschaft mit dem Anführer kommt einer Feindschaft mit allen gleich. Der Clan wird sich erheben. Und das bedeutet, dass der Krieg unvermeidlich ist. Wir bauen den Angeborenen selbst noch die Brücke …
    Und auch jetzt konnte Ritor nicht einmal daran denken, die Wahrheit vor seinen Brüdern zu verbergen. Vielleicht wenn der erste Zorn verraucht war, würde er die Seinen zurückhalten können.
    Denn sie durften ihre Kräfte nicht in einem sinnlosen Zwist mit dem mächtigen Clan des Wassers vergeuden (die
Mehrheit dieses Clans trug ja ohnehin keine Schuld an dem Überfall), sondern mussten den von Torn herbeigerufenen Drachentöter vernichten, ehe es zu spät war. Denn Ritor zweifelte nicht daran, dass sein Feind in dieser Sache die Wahrheit gesagt hatte. Solche Worte sprach keiner leichtfertig aus.
    Und es durfte jetzt auch keine Rolle spielen, dass der Drachentöter selbst wahrscheinlich keine Schuld trug. Es war eine einfache Rechnung: ein Leben für Tausende.
    Gab es noch eine andere Entscheidung? Damit keiner sterben musste? Ach, leider waren sie nicht in der Ethikstunde.
     
    Er hatte das Gefühl, er würde niemals einschlafen. Wenn man so müde ist, scheint der Organismus sich zum eigenen Schaden zu weigern einzuschlafen. Ja, versuch es, plag dich, damit du weißt, wie man den eigenen Körper verhöhnt. Viktor begriff sehr wohl, dass es hauptsächlich am außergewöhnlich hohen Adrenalin- und Endorphinspiegel im Blut lag, an der erhöhten Stromspannung der Ionenkanäle und einem übermäßigen Transport von Synapsenbläschen – aber er begriff es nur mit dem Verstand. Die andere Hälfte seines Bewusstseins beharrte aus irgendeinem Grund darauf, dass es das Schicksal war, das ihn warnen wollte: Schlaf nicht heute Nacht, schlaf nicht, schlaf nicht, schlaf ni-icht!
    Früher war er nur in Fantasy-Romanen auf Elfen, Gnome und ähnliche Fabelwesen gestoßen. Und das nur ganz selten, wenn er gerade absolut keine andere Lektüre zur Hand hatte. Und nun lag er selbst im Bett eines Hotels, dessen Wächter ein waschechter Elf war! Hm, wenn Elfenmänner schon so aussahen, wie mussten dann erst die Elfenfrauen aussehen? Elfenfrauen, Elfchen, Elfinnen, Elfessen … wirklich
interessant, und Halbelfenfrauen? Oder gab es die tatsächlich nicht? Man konnte fast schon verstehen, warum der Elf sich nicht für Menschenfrauen interessierte, menschliche Männer dagegen …
    Er erhob sich auf die Ellbogen. Tel schlief friedlich, leise wie ein Mäuschen, das im Schlaf gelegentlich schnaufte. Viktor legte sich wieder auf den Rücken. Unwillkürlich musste er an die Räuber denken … und jenen Unglückseligen, der um sein Leben gefleht hatte … Was hatte er da gesagt? »Ich bin dein Sklave, Herrscher …«?
    Herrscher.
    Nichts dagegen einzuwenden, das klang gut. Jeder Mensch dachte doch insgeheim: Ja, ich werde nicht geschätzt, nicht verstanden, ich bin in Wirklichkeit mehr wert, bin viel besser als die anderen und kann mich nur wegen aller möglichen Intrigen nicht richtig entfalten, aber eines Tages werde ich es euch schon zeigen … Kein Wunder, dass Schmeichelei eine der stärksten menschlichen Waffen war.
    Viktor bemerkte es nicht, als der Schlaf kam. Sein Bewusstsein blieb klar, seine Gedanken präzise und scharf umrissen. Er war der Ansicht, dass er einfach nur so für sich nachdachte … und deshalb wunderte er sich ein wenig, als er sich selbst plötzlich an einem unbekannten Ufer stehen sah. Der Sand war vollkommen, unerträglich schneeweiß. Das war noch nicht so außergewöhnlich, obgleich man ein solches Weiß auf der Erde – genauer gesagt auf der Anderen Seite – wohl kaum finden würde, wahrscheinlich nicht einmal in der Arktis.
    Ja, der Sand war weiß und das Wasser – im Gegensatz dazu – schwarzblau. Wie Erdöl. Viktor wollte sich schon die Augen reiben, doch dann begriff er, dass es dumm war, sich zu wundern. Hier musste das wohl so sein. Träume
sind ein besonderes Land. Sein Blick glitt über das Ufer, etwa einen halben Kilometer weiter wurde das Wasser dunkelrot wie die untergehende Sonne bei windigem Wetter; noch weiter, schon am äußersten Horizont, war ein helles leuchtendes Grün zu sehen, aber vielleicht war das auch nur eine Spielerei der atmosphärischen Strahlenbrechung. Die Sonne war wahrscheinlich schon verschwunden – aber der ganze Himmel leuchtete am Horizont hell, während im Zenit schon schüchtern die ersten Sterne zu sehen waren.
    Die Berge reichten bis ganz ans Ufer heran. Keine

Weitere Kostenlose Bücher