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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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normalen Berge, wie man sie kennt, sondern eine lange Reihe gleichmäßiger, komplexer geometrischer Gebilde. Jede Erhebung erinnerte aus irgendeinem Grund an einen gigantischen Baum – mit einem glänzenden, halbdurchsichtigen Stamm von einem Kilometer Höhe und mit geradezu ideal gleichmäßigen Kanten, außerdem war jeder Berg in drei Teile unterteilt, von denen der jeweils mittlere Abschnitt als Grundlage für ein neues, kleineres Dreieck diente, und so immer weiter, bis ins Unendliche …
    Zum Meer hin waren diese seltsamen Gebilde glatt abgeschnitten – wie Sockel.
    Zwischen diesen Gebilden, von denen man nicht wusste, ob es nun Bauten oder natürliche Formationen waren, erstreckten sich lange Zungen mit gewöhnlichem grünem Gras, das hochgewachsen und scharf war wie Riedgras.
    Weiter hinten sah man Wald. Allerdings war er violett und stellenweise einfach dunkelblau, als würde in dieser Welt das Gesetz der Photosynthese nicht gelten.
    Und über dem äußersten Rand des Waldes bemerkte Viktor Rauch aufsteigen.
    Er ging in diese Richtung – was hätte er sonst tun sollen.

    Die ganze Zeit horchte er in sich hinein. Ein merkwürdiger Traum war das. Sehr prägnant und realistisch. Sogar das violette Laub und die schwarzen Wellen wirkten stimmig. Na gut, stimmig also, aber das war noch nichts Besonderes … in Träumen erschien einem doch immer alles richtig. Aber warum empfand er die Umgebung dann als so fremd?
    Das passte nicht. Wenigstens im Traum wollte er sich entspannen!
    Er tat einen Schritt, einen weiteren … und plötzlich begriff er, dass es ihm hier gefiel. Sein Körper war erfüllt von einer rauschhaften Leichtigkeit, als atmete er reinen Sauerstoff. Das Ganze wies die Symptome einer tiefen Narkose auf, aber Viktor befand sich jetzt doch nicht im Tiefschlaf!
    Mit Mühe unterdrückte er den Wunsch, einfach loszulaufen.
    Das breitblättrige Riedgras zog sich das ganze Ufer entlang. Zwischen den Pflanzen war kein Weg zu erkennen. Nachdem er sich versichert hatte, dass die scharfen Halme nicht durch die Jeans stachen, wählte Viktor zufrieden den direkten Weg mitten hindurch.
    Wenig später erkannte er, dass der Rauch sich über dem breiten, flachen Dach eines großen, einstöckigen Gebäudes erhob. Der gedrungene Bau bestand aus rosafarbenen Steinplatten, die bereits von fettem Ruß verdorben waren. Aus dem breiten gemauerten Kamin, der ebenfalls niedrig und gedrungen war (Warum nur? Das war doch schlecht für die Statik …), stieg der Rauch auf. Rauch, wie er sein sollte, dicht, schwarz und in dicken Wolken. Um das Haus herum stank es betäubend nach etwas widerwärtig Säuerlichem – als ob innen eine ganze Batterie von Bottichen stünde, bis
oben angefüllt mit dampfendem Salzkraut, mit Salzsäure oder mit Schwefelsäure.
    Der ätzende Geruch drang ihm in die Nasenlöcher, Viktor musste husten … besser gesagt, sein Gedächtnis forderte ihn auf zu husten. Er selbst atmete nur kraftvoll aus, um diese Widerwärtigkeit aus seinen Lungen zu drücken, die nichts mit gewöhnlichen Säuren gemein hatte.
    Es war Gift, wie ihm plötzlich klarwurde. Gift, dazu noch durchdrungen von Magie. Aber ihm konnte das Gebräu aus irgendeinem Grund keinen Schaden zufügen.
    Es gab keine Türen am Haus. Nur einen breiten, dunklen Eingang, durch den man in der Dämmerung matt und gleichmäßig etwas flackern sah.
    »Hallo, ist da wer?«, fragte Viktor gedämpft.
    Das Feuer in der Tiefe des Hauses flackerte erschrocken auf und erlosch. Im gleichen Moment erklang ein zorniges Gebrüll, eine lange wutentbrannte Tirade, deren Aussage sich im Wesentlichen auf »Wer wagt es?« beschränkte, die jedoch sehr bild- und wortreich vorgetragen wurde und mit zahlreichen Verfluchungen der Verwandtschaft des Beschimpften bis ins zwölfte Glied versehen war.
    Aus dem Dunkeln schoss ein sehr kleiner, äußerst dicker Mann mit breiten Schultern, rotem Haarschopf, einem gewaltigen Bauch und hängenden buschigen Augenbrauen. Die Nase des Hausherrn zierten zahlreiche dunkelrote und bläuliche Äderchen. Der giftige Geruch nach Säure wurde augenblicklich von einem schmerzlich vertrauten Geruch abgelöst, der ihn wieder an jenen Sanitärtechniker seiner Wohnungsinstandhaltungsgesellschaft erinnerte.
    »Wer bist du denn?«, schnauzte ihn der Knirps an. Sein Leinenhemd und die Hose waren voller Flecken und Brandstellen. Seine Hände steckten in dünnen chirurgischen Latexhandschuhen,
bei deren Anblick es Viktor beinahe die Sprache verschlug.

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