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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Weise war der Kontrast nicht ganz so schockierend.
    Die Haare des Elfen sahen wie goldener Schaum aus, wie Hobelspäne von Blattgold, die nachlässig zu einer hohen Frisur aufgetürmt waren. Das Gesicht war nicht auf jene schwindsüchtige Art schön wie bei dem Halbelfen – sondern es war von einer unmenschlichen, überirdischen Schönheit, die ihren eigenen Regeln folgte. Sein Körper war zierlich und fein, aber nicht unbedingt zerbrechlich.
    Der Elf war etwas ganz und gar anderes, unermesslich weit entfernt vom Menschen. Wenn Gott den Menschen aus Lehm geformt hatte, so hatte er für die Elfen wahrscheinlich Quellwasser genommen.
    Aber die schmalen Finger des Elfen drückten mit ungekünstelter Grazie das gefiederte Ende eines Pfeils, der schon an die Sehne eines schlanken Bogens angelegt war. Die Tatsache, dass der Bogen auf dem Tisch lag, beruhigte Viktor wenig; er war überzeugt, dass ihn der Pfeil eine halbe Sekunde später in die Brust treffen würde.
    »Woher kommt Ihr, Reisende?«, erkundigte sich der Rothaarige.
    »Wir sind an der Grauen Grenze entlang gereist«, antwortete Tel. Offenbar verlangte die Frage nicht nach einer präzisen Antwort.
    »Nachts entlang der Grenze«, wiederholte der junge Mann mit respektvoller Stimme. »Mutige Leute …«

    Er blickte Tel noch einmal an, diesmal etwas aufmerksamer, und sein Gesicht zuckte kaum merklich. Als ob er das Mädchen erkannte hätte … mit Überraschung. »Was kann ich für Euch tun?« Jetzt war der Junge die Höflichkeit selbst. Der Elf wandte ihnen das Gesicht zu, blickte seinen Kameraden neugierig an und nahm die Hände von der Waffe.
    »Wir brauchen ein Zimmer.«
    »Eins, zwei?«
    »Eins.«
    »Mit einem Bett oder mit zwei?«
    »Mit zwei.«
    »Licht, Wasser?«
    »Das beste Zimmer.«
    »Natürlich, werte Gäste. Dersi, Zimmer Nummer acht!«
    Nicht Angst hatte den Räuber überkommen, den Viktor am Ende hatte laufen lassen. Eher eine Art Verwirrung, wie wenn ein Mensch seinen Ahnungen nicht traut und es für besser hält, sich rückzuversichern.
    »Hier sind die Schlüssel …« Der junge Mann nahm zwei Ringe mit massiven Schlüsseln aus den Händen des Elfen entgegen und reichte sie Tel mit einer angedeuteten Verbeugung. »Was können wir noch für Euch tun?«
    »Wir haben Hunger …«, sagte Tel in nörgeligem Tonfall.
    »Unser kleines Restaurant ist noch geöffnet.« Der junge Mann deutete mit dem Kopf zu einer der Türen hin. »Sollen wir Euch etwas aufs Zimmer bringen lassen?«
    »Nein, danke, wir gehen selbst.« Tel nickte Viktor zu. »Du musst bezahlen!«
    Viktor zog schweigend das erbeutete Säckchen hervor und blickte den Jüngling fragend an.

    »Ein Goldstück.«
    Der Elf gab ein leises, nachdenkliches Geräusch von sich.
    Immer noch schweigend gab Viktor dem Jüngling eine Münze, die dem Aussehen nach aus Gold war. Auf der Münze war keinerlei Aufschrift zu erkennen, aber beidseitig war ein furchteinflößender Drachenkopf eingeprägt. Der Jüngling nahm die Münze mit offenkundiger Verwirrung, wandte die Augen ab und steckte das Geldstück schnell in die Tasche.
    »Nehmen Sie kein altes Geld?«, fragte Tel neugierig.
    »Doch, doch, natürlich.« Der junge Mann warf einen Blick zum Elfen hinüber und bedeutete diesem mit einer Grimasse, dass er schweigen sollte. Viktor gefiel es ganz und gar nicht, was hier vor sich ging, aber es schien ihm klüger, sich nicht einzumischen.
    »Lass uns gehen, ich möchte was essen …« Tel zog Viktor mit sich. Der Elf hatte nicht ein einziges Wort gesprochen und sich auch nicht herabgelassen aufzustehen. Jetzt war es offenbar an der Zeit für ein ernstes Gespräch zwischen ihm und dem jungen Mann.
    Hinter der Tür zum Restaurant war es unerwartet kühl. Viktor erstarrte auf der Schwelle und erkannte mit Staunen, dass der alberne Traum, dem er noch vor kurzem nachgehangen hatte, Wirklichkeit geworden war.
    Vor ihnen stand ein halbes Dutzend Tische, die mit weißen Tischtüchern, mit Besteck und weißem Porzellan eingedeckt und nicht besetzt waren. Hier gab es kein elektrisches Licht, nur Kerzen in massiven Kerzenleuchtern entlang der Wand. Ein betörender Duft nach Essen stieg ihm in die Nase, der vermutlich durch die offene Küchentür hereinströmte. Auf einem kleinen Bartresen standen verschiedene Flaschen mit unbekanntem Etikett, aber mit eindeutigem Inhalt.

    Auf einem hohen Barhocker schlief, das Gesicht auf den Tresen gelegt, ein stämmiger Mann, der in eine Art paramilitärische Uniform gekleidet

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