Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow
Zauberer voller Verehrung an. »Ich verstehe … das war eine Prüfung … ich sollte beweisen, dass ich den Wall zu durchbrechen vermag. Ich dachte, dass Sie wahrscheinlich beschlossen haben, mich mitzunehmen … schließlich soll ja ein Junge bei dem Feldzug dabei sein … und ich bin nicht schlechter als Taniel … und nun haben Sie mich geprüft. Ich habe mich sehr angestrengt, Maître. Sagen Sie mir, Maître, ich habe sie doch bestanden, oder?« Und sein leuchtender Blick war fest auf den geliebten Lehrer gerichtet.
Natürlich, dachte Ritor, der Junge kann sich gar nicht vorstellen, dass er die Kraft hat, meinen Wall wider mein Wissen zu durchbrechen. Asmund musste ja denken, dass er geprüft wird. Dieser Teufelskerl ist wirklich begabt. Wer hätte das geglaubt … Verärgert über sich selbst, schüttelte Ritor den Kopf. Wie konnte ihm so ein Talent entgehen? Wie konnte er das übersehen? Aus Asmund würde einmal ein großer Zauberer werden. Und er musste sich dringend um seinen Schutzwall kümmern …
Schnell, mit einer einzigen Berührung erforschte er den Jungen. Nein, im Moment wirkte dieser keinen Zauber.
»Nun denn, komm mit.« Ritor bedeutete Asmund, ihm zu folgen. »Du hast Recht, diese Prüfung hast du zufriedenstellend bestanden … beinahe gut.«
Der Junge biss sich vor Ärger auf die Lippen.
»Damit du dich davon überzeugen kannst«, fuhr der Zauberer unerschütterlich fort, »wirst du mir nun Schritt für Schritt demonstrieren, wie du meinen Wall durchbrochen hast. Und ich werde dir erklären, wo man leichter und schneller vorgehen könnte.«
Ritor hoffte aufrichtig, dass er überhaupt Ratschläge und Erklärungen für den Jungen haben würde. Nun ja, alles Talent in Ehren, aber die Erfahrung war schließlich auch etwas wert …
Die anderen Angelegenheiten würden warten müssen. Wenn dieser kleine Teufelskerl so viel vermochte, wo war die Garantie, dass Torn nicht genau dasselbe gelang? Außerdem musste er die Kräfte des Jungen ganz genau ausloten, bis in den hintersten Winkel – denn vielleicht wäre dessen naive Annahme am Ende gerechtfertigt.
Zu seiner Truppe sollte tatsächlich ein junger Zauberer gehören, einer mit ungetrübtem, skeptischem Blick.
Obwohl es genaugenommen nicht nur um dessen ungetrübten Blick ging, aber davon brauchte der Junge erst einmal nichts zu wissen …
»Das ist Wahnsinn, Ritor«, sagte der ältere Roj entschieden.
»Zumindest unvernünftig, Ritor.« Rojs jüngerer Bruder Gaj schüttelte den Kopf.
»So etwas hätte ich nicht von unserem vorsichtigen und vorausschauenden Maître erwartet.« Solli breitete verwundert die Arme aus.
»Tausend Teufel und eine Hafendirne, also mir gefällt der Vorschlag!« Sandra hieb mit der Faust auf den Tisch, mit hochgezogenen Brauen blickte sie in die versammelte Runde. Gerüchten zufolge – die Wahrheit kannte nicht einmal Ritor – war Sandra in ihrem früheren Leben auf der Anderen Seite die rechte Hand eines Piratenkapitäns auf einem Piratenschiff gewesen. Sie war korpulent, hatte eine laute Stimme und war äußerst stark. Zu fechten verstand sie wie nur wenige Männer. Auf ihrem Hals prangte eine scheußliche Narbe – wohl von einem Säbel -, auf die sie allem Anschein nach sehr stolz war. Sie trug goldene Ohrringe in der Form von Totenköpfen mit fünfkarätigen Brillanten als Augen. »Ich hasse es, hier so tatenlos herumzusitzen! Lasst uns dieses Monster aufstöbern und erwürgen. Mit unseren eigenen Händen. Los, Ritor, wir haben lange genug die Ruder getrocknet. Refft das Segel, und dann feuern wir volle Breitseite! Auf mich kannst du zählen, auch wenn diese Landratten hier sich vor Angst in die Hose machen.«
An ihre Ausdrucksweise hatten sich alle im Clan längst gewöhnt. Im Laufe einiger Hundert Jahre hatten die Leute aufgehört, sich jedes Mal beleidigt zu fühlen. Ritor fragte sich gelegentlich, ob Sandras üppige Meeresrhetorik und die komplizierten Schimpfwörter nicht nur eine Art Maske darstellten, die Maske einer erschrockenen Frau, die sich plötzlich in einer fremden Welt wiedergefunden hatte. Bestätigt fühlte er sich in diesem Verdacht durch die Tatsache, dass die Meereswölfin Sandra nie auch nur den geringsten Wunsch äußerte, an Bord zu gehen. Womit sie vollkommen Recht hatte, denn auf Schiffen waren Frauen normalerweise nicht willkommen – höchstens … in einer einzigen Rolle.
Aber sie war eine gute Magierin. Für eine Frau geradezu herausragend.
»Sandra! Gib doch bitte
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