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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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die geringste Verlegenheit biss die Gnomfrau in das Goldstück, um seine Echtheit zu prüfen, erst dann hielt sie ihm eine Zeitung hin. Viktor heftete die Augen gierig auf die erste Seite: Der Eisenbahner .
    Dieser Zeitungstitel schrie förmlich danach, um das Adjektiv »rot« erweitert zu werden, aber augenblicklich wäre Viktor bereit gewesen, alles zu lesen, was sich ihm bot, vom Elfenboten bis hin zum Abendvampir . Sein Blick glitt weiter.
    Zwar waren alle Artikel in kyrillischer Schrift gesetzt, aber die Buchstaben fügten sich einfach nicht zu sinnvollen Wörtern zusammen. »Kratzer Gootschek« war noch das harmloseste. Aber was sollte man von »lauer erser« oder von »hu du« oder von »sef« und »ab!!!« mit drei Ausrufezeichen halten?
    War das die Gnomensprache?
    Im ganzen Text waren ihm nur die Präpositionen bekannt … allerdings, wer wusste schon, was ein Gnom unter »über«, »bei« und »auf« verstand.
    Aber halt. Jeder Artikel war mit einer kurzen Anmerkung in russischer Sprache versehen, die jeweils in einem schwarzen Rahmen daneben abgedruckt war. »Die Geschichte von Kilometer 1054 der Eisenbahnroute«, »Vergleichende Analyse der Wirtschaftlichkeit von Lastwagen- und
Personentransporten«, »70 Jahre Leben in der Horde – Erinnerungen, Teil 2«, »Neuigkeiten aus den Clans (nicht bestätigt)«.
    Viktor blätterte die Zeitung eilig durch – alles in allem gerade mal sechs Seiten. Und es gab selbstverständlich keine Illustrationen oder Fotos. Der Schrifttype nach zu urteilen wurde diese Zeitung auf einer entsetzlich primitiven Vorrichtung gedruckt … Keine Artikel auf Russisch, lediglich diese lächerlichen Resümees am Rande.
    Er sah die Gnomfrau an, die mit hämischer Freude auf seine Reaktion wartete.
    »Danke schön«, sagte Viktor. »Ich werde sicher … eine Verwendung für dieses Papier finden.«
    Er faltete die Zeitung mehrmals sorgfältig und stopfte sie in die Tasche seiner Jeans.
    Die Gnomfrau wurde dunkelrot, öffnete die Lippen, sagte aber nichts. Die umstehenden Verkäuferinnen, die alles mit angesehen hatten, kicherten los. Stolz auf seinen kleinen Sieg ging Viktor zum Bahnhof.
    »Herrscher …«
    Er drehte sich um. Der Junge, den der Grenzer kurz zuvor weggeschickt hatte, stand vor ihm und hielt ihm ein Bündel hin.
    »Nehmen Sie, Herrscher …«
    »Ich brauche eure Geschenke nicht«, sagte Viktor müde. »Bring das deinem Vater. Hast du verstanden?«
    »Herr, nehmt es, sonst bringt er mich um.«
    Alle Achtung, das war keine rhetorische Wendung. In den Augen des Jungen lag Furcht.
    »Was ist das?«, lenkte Viktor ein.
    »Eine Jacke, Herr. Ihr habt doch eine Jacke für Euch gesucht.«

    Viktor rollte schweigend das Bündel auseinander und befühlte den schwarzen Stoff.
    Aber war das Stoff?
    Das Material glich am ehesten einer Fischhaut. Einer schwarzen Fischhaut, mit Schuppen in der Größe einer Kinderhand. Das Innenfutter bestand aus kurzhaarigem, ebenfalls schwarzem Pelz. Und ganz gleich, wie Viktor zu der unerbetenen, heftigen Liebe des Grenzers stand, die Jacke war einfach großartig. Sie schien Wärme ebenso wie Schutz vor Wind und Regen, ja sogar vor einem verräterischen Schlag zu versprechen.
    »Danke«, sagte er schließlich und kämpfte mit der Versuchung, sie sogleich überzuziehen. »Was schulde ich dir?« Der Junge schwieg erschrocken und schüttelte den Kopf.
    »Na gut. Danke noch mal. Aber jetzt könnt ihr gehen, verstanden? Sag deinem Vater, dass wir quitt sind, ich bin ihm sehr dankbar und so weiter …«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte er sich um und betrat eilig den Bahnhof. Er stand in einem kleinen Saal, wo vermutlich der Fahrkartenverkauf stattfand. Jedenfalls gab es dort zwei Schalter, hinter jedem langweilte sich offenkundig eine Frau unbestimmten Alters; auf den hölzernen Bänken schliefen zerknitterte Gestalten – entweder Menschen, die wie Gnome, oder Gnome, die nach Menschen aussahen; unter der Decke schaukelte leicht ein staubiger Lüster vor sich hin.
    Entschlossen ging Viktor auf einen der Schalter zu und sagte: »Bitte, eine Fahrkarte für den Donnerpfeil.«
    »Wohin?«
    Ja, wohin eigentlich?
    »Nach … Was ist weiter weg von hier, Luga oder Rjansk?«
    »Rjansk«, schnaubte die Frau.

    »Dann nach Rjansk.«
    »Welche Klasse?«
    »Was gibt es denn?«
    »Passagierwagen, Schlafwagen, mit eigenem Platz und mit eigenem Abteil.«
    Diese Klassifizierung weckte sein Misstrauen. Wenn der Passagierwagen schon keine Schlafmöglichkeit vorsah

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