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Drachenreiter

Titel: Drachenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
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Homunkulus beachtete ihn nicht.
    »Flieg höher, Lung!«, kreischte er und riss an den Riemen. »Dieser See ist ein Tor! Ein offenes Tor!«
    Aber Lung hatte längst begriffen. Mit heftigen Flügelschlägen schoss er in die Höhe und auf das gegenüberliegende Ufer zu. Besorgt blickte er nach unten, aber dort rührte sich nichts. Nur ein paar Schneeflocken verschwanden in den schwarzen Wellen. Mit einem heftigen Ruck landete der Drache auf einem Felsvorsprung, viele hundert Meter über den leuchtenden Blumen. Bebend faltete er die silbernen Flügel zusammen.
    »Ich seh nichts, Lung!«, flüsterte Schwefelfell und blickte angestrengt in die Nacht. »Wirklich nicht.«
    Ärgerlich drehte sie sich zu Fliegenbein um, der sich zitternd in Bens Schoß drückte. »Dieser Winzling wird uns noch verrückt machen. Wie sollte sein alter Meister denn so schnell hierher gekommen sein, hm?«
    »Lass ihn«, sagte Ben barsch. »Siehst du nicht, dass er vollkommen durchgefroren ist?«
    Mit steifen Fingern, die selbst die Handschuhe der Mönche nicht warm halten konnten, griff Ben nach der Thermoskanne Tee und flößte Fliegenbein vorsichtig einen Schluck ein. Dann nahm er selbst auch einen Schluck. Ihm wurde fast übel von dem seltsamen Geschmack, aber in seinem Innern breitete sich wohlige Wärme aus.
    Lung stand da und wendete den Blick nicht von der Oberfläche des Sees.
    »Wir haben auf jeden Fall einen Vorsprung!«, zischte Schwefelfell. »Weil dieses Monstrum nämlich nicht fliegen kann.«
    »Nur wenn es hier kein Wasser gäbe, hätten wir einen, du dummes Spitzohr!«, schimpfte Fliegenbein. Nach dem Tee zitterte er nicht mehr ganz so sehr. »Ist das da unten vielleicht kein Wasser? Ich sage euch eins: Wahrscheinlich ist er schon hier und beobachtet uns.«
    Alle schwiegen erschrocken.
    »Dann haben wir jetzt ein Problem«, knurrte Burr-burr-tschan. »Ich sollte euch nicht den Eingang der Drachenhöhle zeigen, wenn der Goldene dabei zusieht, oder?«
    »Nein!« Lung schüttelte den Kopf. »Er hat durch uns schon zu viel erfahren. Wir können nur zur Höhle, wenn wir wissen, dass Nesselbrand noch nicht hier ist.«
    Besorgt blickte er hinunter auf den See. »Haben wir ihn wirklich hierher geführt?«, murmelte er.
    Das Tal war noch schöner als in seinen Träumen. Lung betrachtete den Saum des Himmels, blickte hinab auf das Meer von blauen Blumen, bedeckt mit Mondtau, und sog ihren Duft ein, der bis zu ihm heraufstieg. Dann schloss er die Augen - und spürte die Nähe der anderen Drachen. Ganz deutlich, so deutlich wie den Blumenduft. So deutlich wie die kalte Nachtluft. Lung öffnete die Augen wieder und sie waren dunkel vor Zorn. Ein Knurren drang aus seiner Kehle. Erschrocken sahen seine Freunde ihn an.
    »Ich fliege hinunter«, sagte der Drache. »Ich allein. Wenn Nesselbrand da ist, wird er schon herauskommen.«
    »Blödsinn!«, rief Schwefelfell erschrocken. »Was redest du da? Selbst wenn er herauskommt - willst du dich allein mit ihm anlegen? Er wird dich fressen, mit einem Haps, und wir sitzen bis ans Ende unserer Tage auf diesen pilzlosen Felsen fest. Sind wir dafür um die halbe Welt geflogen? Nein. Wenn einer da runtergeht, dann jemand, den er übersehen kann!«
    »Sie hat Recht, Lung«, sagte Ben. »Einer von uns muss rausfinden, ob Nesselbrand da unten lauert. Und wenn er wirklich da ist, müssen wir ihn ablenken, damit du mit Burr-burr-tschan unbeobachtet zur Höhle der Drachen gelangen kannst.«
    »Haar-ge-nau!« Mit einem Satz sprang Lola Grauschwanz aus Bens Rucksack, hüpfte auf seine Knie und breitete die kurzen Arme aus. »Ich melde mich freiwillig! Ehrensache! Kein Problem! Die ideale Aufgabe für mich.«
    »Ph!« Schwefelfell gab ihr verächtlich einen Stups vor die Brust. »Damit du uns wieder erzählst, er ist nicht da, so wie beim letzten Mal?«
    Die Ratte warf ihr einen bösen Blick zu.
    »Jeder macht mal einen Fehler, Pelzkopf«, fauchte sie. »Aber diesmal nehm ich den Hummelklumpkuss mit. Der kennt sich doch bestimmt bestens aus mit den Tricks seines alten Meisters, was?«
    Fliegenbein schluckte. »Ich?«, fragte er. »Ich? In die Maschine? Aber ...«
    »Das ist eine gute Idee, Fliegenbein!«, rief Ben. »Ihr zwei seid so klein, dass er euch ganz bestimmt nicht bemerkt.« Fliegenbein schauderte.
    »Und was ist, wenn wir ihn sehen?«, fragte er mit zittriger Stimme. »Was ist, wenn er wirklich da unten ist? Wer lenkt ihn dann ab?«
    »Kein Problem, Hummelkuss!«, sagte Lola. Ganz glänzende Augen bekam

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