Drachenreiter
ab!«, fauchte Schwefelfell.
Burr-burr-tschan drehte sich mit breitem Grinsen zu ihr um. »Kein Pilz wächst auf Stein«, sagte er. »Dieser wächst auf Holz, darauf züchten wir ihn. In unseren Höhlen. Tut ihr das etwa nicht?«
»Nein«, knurrte Schwefelfell. »Und?«
Ärgerlich puffte sie den Kobold in den Rücken.
»Schwefelfell, hört auf zu streiten!«, rief Lung ihr zu. »Ich muss nachdenken.«
Schwefelfell duckte sich beleidigt und knabberte an ihrem Pilz. »Er muss nachdenken«, brummte sie. »Worüber denn, bitte schön? Was er tut, wenn dieses Monster uns nachkommt? Was gibt's denn da nachzudenken? Will er etwa mit ihm kämpfen? Pah!« Beunruhigt spuckte sie in die Tiefe.
»Wieso kämpfen?« Ben schob seinen Kopf über ihre Schulter.
»Ach, vergiss es«, brummte Schwefelfell. »Ich hab nur laut gedacht.« Dann starrte sie düster zu den immer näher rückenden Bergen.
Ben zog Fliegenbein die Handschuhfingerkappe über die Ohren und wickelte ihn noch etwas fester in sein Lammfell. Es wurde kälter und kälter, je höher Lung stieg, und Ben war sehr dankbar für die warme Kleidung, die die Mönche ihnen gegeben hatten. Er wollte sich freuen darüber, dass sie ihrem Ziel so nahe waren. Aber immer wieder kam ihm der Gedanke an Nesselbrand in die Quere.
Plötzlich spürte Ben etwas auf der Schulter. Erschrocken fuhr er herum und erwischte Lola Grauschwanz gerade noch an ihrem langen Schwanz. »He, was machst du denn hier, Lola?«, fragte er.
»Du meine Güte, wolltest du mich runterschmeißen?«, antwortete die Ratte mit klappernden Zähnen. »Es ist zu kalt in meinem Flugzeug. Die Heizung funktioniert nur beim Fliegen. Hättest du vielleicht noch ein Plätzchen in deinem Rucksack für mich frei?«
»Klar.« Ben setzte die bibbernde Ratte zwischen seine Sachen. »Aber was ist mit deinem Flugzeug?«
»Fest vertäut«, antwortete Lola. »Auf Lungs Schwanz.«
Mit einem erleichterten Seufzer zog sie den Kopf ein, bis nur noch ihre Ohren und die spitze Schnauze aus dem Rucksack schauten.
»Muss ich noch höher fliegen, Burr-burr-tschan?«, rief Lung, während der Wind ihnen immer stärker um die Köpfe pfiff.
»Ja!«, rief Burr-burr-tschan zurück. »Der Pass, den wir überqueren müssen, liegt noch ein Stück höher. Es gibt keinen anderen Weg ins Tal!«
Ben merkte, wie sein Herzschlag ihm in den Ohren dröhnte, als Lung noch höher stieg. Die Nacht drückte mit schwarzen Fäusten gegen seine Schläfen. Das Atmen wurde schwer. Schwefelfell duckte sich wie eine kleine Katze zusammen. Nur Burr-burr-tschan saß aufrecht und zufrieden da. Er war die großen Höhen gewohnt. Er war in den Bergen geboren, die die Menschen das Dach der Welt nennen.
Die weißen Gipfel waren jetzt so nah, dass es Ben vorkam, als könnte er die Hand ausstrecken und den Schnee auf ihren Hängen berühren. Lung flog auf den Pass zwischen den zwei spitzesten Bergen zu. Schwarze Felsen verbanden sich mit der Dunkelheit der Nacht. Steintürme ragten tückisch in die Luft und versperrten dem Drachen den Weg. Als Lung genau zwischen den beiden Bergen war, stürzte sich der Wind wie ein hungriger Wolf auf ihn. Er fuhr dem Drachen heulend unter die Flügel und wirbelte ihn wie ein Blatt auf die Felsen zu.
»Vorsicht!«, schrie Burr-burr-tschan. Aber Lung hatte sich schon wieder gefangen. Mit all seiner Kraft stemmte er sich gegen den Wind und befreite sich aus seinen unsichtbaren Klauen. Schneeflocken wirbelten auf sie herab, bedeckten den Drachen und die Köpfe und Schultern seiner Reiter. Bens Zähne klapperten.
»Wir schaffen es!«, schrie Burr-burr-tschan. »Seht ihr? Da vorn ist der höchste Punkt!«
Lung schoss darüber weg, ließ den heulenden Wind endgültig hinter sich - und flog hinein in das Tal der Drachen. Zwischen den Bergen lag ein See, rund wie der Mond. An seinen Ufern wuchsen Subaida Ghalibs blaue Blumen. Sie leuchteten in der Dunkelheit und das Tal sah aus, als wären die Sterne vom Himmel gefallen.
»Mönchskopf und Milchling!«, hauchte Schwefelfell.
»Wir nennen den See das Auge des Mondesl«, rief Burr-burr-tschan, während Lung auf das schimmernde Wasser zuschwebte. »Flieg hinüber! Dorthin, wo ...«
»Nein! Flieg nicht hinüber!«, rief Fliegenbein mit schriller Stimme.
Er befreite sich aus dem Lammfell. »Du pelziger Dummkopf!«, schrie er Burr-burr-tschan an. »Du hast nichts erzählt von dem See! Nicht ein einziges Wort!«
»Pelziger Dummkopf?« Burr-burr-tschan drehte sich ärgerlich um. Aber der
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