Drachenreiter
schon wieder auf ihn zukam wie eine zornige Hornisse.
»Nur noch eine Runde!«, rief Lola. »Volle Kraft vorauuuus!« Sie zischte so haarscharf an Nesselbrands gepanzerter Stirn vorbei, dass Fliegenbein zwischen die Sitze rutschte und die Finger vors Gesicht presste.
»Juhuuuuuuh!«, schrie die Ratte und flog um Nesselbrands Hörner. »Das ist doch mal was anderes als Berge vermessen! Juchuuuuhh!«
Schnaubend fuhr der goldene Drache herum. Er drehte sich, schnappte zu, schnappte noch mal, immer wieder - und hatte jedes Mal nichts als Nachtluft zwischen den Zähnen.
»Hohoooh!«, rief Lola und sauste um Nesselbrand herum, bis er sich wie ein Tanzbär im Wasser drehte. »Hohoooh! Dein alter Meister ist wohl ein bisschen in die Jahre gekommen, was, Humpelklups? Der Schnellste ist er jedenfalls nicht.« Sie winkte durch die Scheibe. »Auf Wiedersehen! Leg dich wieder in den Schlamm, du Dummkopf, und setz Rost an.«
Dann zog sie das Flugzeug steil in den Himmel, bis Fliegenbein nicht mehr wusste, wo seine Zehen und wo seine Nase waren.
»Tariiih, taraaah, dubidoooo!« Die Ratte klopfte ihrem Flugzeug anerkennend aufs Armaturenbrett. »Gut gemacht, altes Blechmädchen. Einmalig, würde ich sagen.«
Nesselbrand brüllte so laut hinter ihnen her, dass Fliegenbein sich die Ohren zuhielt. Aber das Flugzeug war längst aus seiner Reichweite.
»Na, was meinst du, Himmelklumpkuss?«, sagte Lola und trommelte fröhlich auf ihrem Steuer herum. »Haben wir uns ein Frühstück verdient?«
»O ja«, murmelte Fliegenbein. Er guckte zu seinem alten Meister zurück, der sie mit roten Augen verfolgte, als könnte er sie mit einem Blick vom Himmel pflücken. Hatte er Fliegenbein erkannt, als er den Arm nach Kiesbart ausstreckte?
Der Homunkulus kauerte sich zusammen. »Ich will ihn niemals wieder sehen!«, flüsterte er und ballte die Fäuste. »Ich will ihn nie, nie wieder sehen.«
Auch wenn er Nesselbrand hundertmal um die Schnauze flog, zweihundertmal seinen Zähnen entkam, dreihundertmal auf seinen gepanzerten Kopf spuckte - er würde immer Angst vor ihm haben. Immer.
»Ich werde da landen, wo wir vorhin angekommen sind«, sagte Lola. »Einverstanden?«
»Einverstanden«, murmelte Fliegenbein und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Aber was dann? Wie finden wir die anderen wieder?«
»Ach«, Lola flog ein paar Schlangenlinien und grinste. »Die werden uns schon holen. Jetzt genehmigen wir uns erst mal ein Frühstück. Ich finde«, sie strich sich zufrieden über die Ohren, »wir haben genug für eine ganze Woche gearbeitet, nicht wahr, Hilunkelküsschen?«
Fliegenbein nickte.
Unten im See aber ließ Nesselbrand sich zurück ins Wasser sinken. Er tauchte unter und verschwand, als wäre er nichts gewesen als ein böser Traum.
DIE HÖHLE DER DRACHEN
Lung stand im Schnee und blickte hinunter auf den See. Tief unten lag er nun, aber Lungs Drachenaugen sahen genau, wie Nesselbrand durch das schäumende Wasser torkelte und nach dem winzigen Ding schlug, das ihn umschwirrte und zum Narren hielt.
»Komm«, sagte Burr-burr-tschan und kletterte von Lungs Rücken. »Du hast doch das Zeichen gesehen. Sie kommt zurecht. Und wir müssen uns beeilen. Sonst guckt dieses Ungeheuer vielleicht doch noch mal in unsre Richtung.«
Hastig stapfte der Dubidai durch den Schnee. Ben und Schwefelfell folgten ihm bis zu einer hoch aufragenden Felswand, weiß vom Schnee, vor der Burr-burr-tschan stehen blieb.
Lung trat neben ihn und sah ihn fragend an. »Und?«
Burr-burr-tschan kicherte. »Ich hab es euch gesagt. Ihr stoßt euch die Nase dran und seht es nicht.« Er legte seinen pelzigen Finger an eine Stelle auf der glatten Felswand, die er gerade noch erreichen konnte. »Da, siehst du die Mulde? Leg deine Schulter hinein und stemm dich gegen den Fels.«
Lung tat es. Kaum presste er sich gegen den eisigen Stein, da schwang der Fels zur Seite und vor ihnen lag ein schwarzer Tunnel. Vorsichtig streckte der Drache den Hals hinein.
»Los, rein mit euch!« Burr-burr-tschan schubste Ben und Schwefelfell in die Dunkelheit.
Lung warf noch einen letzten Blick hinunter zum See, wo Nesselbrand sich immer noch von Lola Grauschwanz ärgern ließ. Dann drehte er sich um und verschwand im Tunnel.
Ein vertrauter Duft strich ihm entgegen. Ganz schwach hing er in der kalten Luft, die mit jedem Schritt, den sie ins Innere des Berges machten, wärmer wurde. Es war Lungs eigener Geruch, scharf und frisch wie die Luft über den Wolken - der Geruch
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