Drachenreiter
gefasst.«
»Professor?« Ben schlürfte den letzten Suppenrest aus seiner Schale und stellte sie in den silbernen Basiliskenstaub, der immer noch den Höhlenboden bedeckte. »Haben Sie schon mal was vom Saum des Himmels gehört?« Schwefelfell stieß Ben in die Seite. Lung hob den Kopf. Fliegenbein spitzte die Ohren.
»O ja«, antwortete der Professor und wischte seine Suppenschale mit einem Stück Brot aus. »Den Saum des Himmels nennt man das legendäre Gebirge, hinter dem sich angeblich das Tal verbirgt, aus dem die Drachen stammen. Viel mehr weiß ich allerdings nicht darüber.«
»Was weißt du noch?«, fragte Lung.
»Nun«, Barnabas Wiesengrund runzelte die Stirn. »Der Saum des Himmels soll im Himalaja liegen - neun weiße Gipfel, alle von fast gleicher Höhe, die wie ein schützender Ring das sagenhafte Tal umgeben. Ich und Vita, das ist meine Frau, wollten vor einigen Jahren danach suchen, aber dann stießen wir auf Einhornspuren. Nun ja.« Er schüttelte den Kopf. »Eine Kollegin, die berühmte Subaida Ghalib, hat sich damals auf die Suche gemacht, leider vergebens. Obwohl niemand auf der Welt mehr über Drachen weiß als sie.«
Der Professor sah Lung an. »Vielleicht solltet ihr sie besuchen. Sie ist im Moment in Pakistan. Wenn ihr zum Himalaja wollt, liegt das auf eurem Weg.«
»Na ja«, Schwefelfell blickte sehnsüchtig in den dampfenden Topf, worauf Barnabas Wiesengrund ihr schnell noch einmal die Schüssel füllte. »Über Drachen weiß Lung eigentlich alles. Schließlich ist er ja selber einer.«
Der Professor lächelte. »Ohne Zweifel. Aber Lung kann nicht fliegen, wenn der Mond nicht scheint, stimmt's?«
Schwefelfell krauste die Nase. »Kein Drache kann das.«
»Ja, aber war das immer so?«, sagte der Professor. »Subaida hat mir vor kurzem geschrieben, dass sie glaubt, etwas gefunden zu haben, das die Kraft des Mondes ersetzen kann. Zumindest für kurze Zeit. Sie drückte sich sehr geheimnisvoll aus. Natürlich kann sie es nicht beweisen. Sie kennt keinen Drachen, der es für sie ausprobieren könnte.«
Lung, der nachdenklich in den Silberstaub des Basilisken gestarrt hatte, hob den Kopf.
»Das ist interessant«, sagte er. »Ich zerbreche mir schon seit meinem Aufbruch den Kopf darüber, was wird, wenn wir zur Zeit des Neumondes die hohen Berge erreichen.«
»Tja, wie gesagt«, der Professor zuckte die Schultern. »Subaida ist da einer Sache auf der Spur, aber Näheres wollte sie mir nicht verraten. Sie lebt zur Zeit in einem Dorf an der Küste des Arabischen Meeres, ganz in der Nähe der Indus-Mündung. Neben ihren Forschungen über das Mondlicht geht sie dort einer seltsamen Geschichte nach, die sich vor mehr als hundertfünfzig Jahren in der Nähe dieses Dorfes zugetragen haben soll.«
»Handelt die Geschichte von Drachen?«, fragte Ben.
»Allerdings.« Der Professor lächelte. »Wovon sonst? Subaida ist Drachenforscherin. Soweit ich weiß, geht es sogar um ganze Schwärme von Drachen.«
»Schwärme von Drachen?«, wiederholte Lung ungläubig.
»Ja, ja.« Barnabas Wiesengrund nickte. »Einige Menschen in diesem Dorf behaupten, dass noch ihre Großeltern erlebt haben, wie Schwärme von Drachen in jeder Vollmondnacht vor ihrer Küste auftauchten um im Meer zu baden. Bis etwas Seltsames passierte.« Der Professor runzelte die Stirn. »Eines Nachts, etwa hundertfünfzig Jahre soll es her sein, tauchte ein Ungeheuer aus dem Meer auf und griff die badenden Drachen an. Eigentlich kann es sich bei diesem Wesen nur um eine Seeschlange gehandelt haben, aber seltsam daran ist, dass Seeschlangen und Drachen entfernte Verwandte sind und mir kein einziger Fall bekannt ist, in dem sie sich bekämpft hätten. Nun, dieses Seeungeheuer griff die Drachen an. Und seitdem sind sie verschwunden. Subaida vermutet, dass sie zurückgekehrt sind zum Saum des Himmels und ihr Versteck nie wieder verlassen haben.«
Lung hob den Kopf. »Sie haben sich versteckt«, sagte er. »Fliehen, verstecken, gejagt werden - alle Drachengeschichten handeln nur davon. Gibt es keine anderen?«
»O doch!«, rief der Professor. »Gerade dort, wo ihr hinfliegt, ist der Drache ein Glücksbringer, ein heiliges Wesen. Nur, wenn wirklich einer auftaucht ...«, er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was die Menschen dazu sagen würden. Du solltest vorsichtig sein.« Der Drache nickte.
»Und vor Seeungeheuern sollten wir uns auch in Acht nehmen«, meinte Schwefelfell düster.
»Oh, das ist jetzt lange her«, beruhigte der
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