Drachenreiter
Aber er brachte kein Wort über die Lippen.
»Also, wie war das?« Ben strich seinen Zettel glatt. »Wo - ist - der - Saum - des - Himmels - versteckt? Sieben Wörter.«
»Hm, nicht schlecht«, brummte Schwefelfell. »Klingt aber irgendwie komisch.«
»Oh, ich hab noch was«, Ben drehte den Zettel um. »Hat auch sieben Wörter. Wo finden wir den Saum des Himmels?«
Fliegenbein rutschte unauffällig von Bens Knie und machte ein paar Schritte zurück. Sofort drehte Schwefelfell sich nach ihm um. »He, wo willst du denn jetzt schon wieder hin?«, knurrte sie.
»Ich gehe spazieren, Pelzgesicht«, antwortete Fliegenbein. »Was hast du dagegen schon wieder einzuwenden?«
»Spazieren?« Überrascht guckte Ben dem Homunkulus nach. »Soll ich nicht lieber mitkommen?«, rief er ihm hinterher. »Ich mein, keine Ahnung, was hier für Tiere herumlaufen ...«
Fliegenbeins Herz wurde von so viel Fürsorge ganz schwer. »Nein, nein, junger Herr«, rief er über die Schulter. »Ich bin zwar klein, aber keinesfalls hilflos. Außerdem sehe ich nicht sehr schmackhaft aus, so mager, wie ich bin.«
Dann verschwand er durch ein Loch in der Mauer.
DER RABE
Fliegenbein hastete durch die heiße Luft wie durch Watte. Immer wieder hielt er schnuppernd die spitze Nase hoch. Ja, gleich da am Fuß des Hügels, unter dem großen Weihrauchbaum, musste die Zisterne sein. Er konnte das Wasser schon ganz deutlich riechen. Mühsam suchte er sich seinen Weg durch Geröll und stachliges Gras. Seine Glieder schmerzten scheußlich von dem endlos langen Versteckspiel in Bens Rucksack.
Das hatte er alles Schwefelfell zu verdanken, dieser misstrauischen, besserwisserischen Koboldziege. Bah, machte sich darüber lustig, dass er Fliegen aß, und stopfte sich stinkende Pilze zwischen die Zähne. Er hoffte nur, dass sie bald einen giftigen erwischte, einen, der ihr so den Bauch zerbiss, dass ihr die Frechheiten für alle Zeiten vergingen.
Zwischen ein paar struppigen Sträuchern stieß Fliegenbein auf Spuren, wahrscheinlich von Kaninchen, die auf diesem Weg zum Wasser huschten. Er folgte ihrem schmalen Pfad, als plötzlich ein schwarzer Schatten auf ihn niederstieß. Erschrocken kreischte der Homunkulus auf und warf sich auf den Bauch. Schwarze Krallen gruben sich neben ihm in den Staub. Ein krummer Schnabel zupfte an seiner Jacke.
»Grüß dich, Fliegenbein«, krächzte eine vertraute Stimme.
Vorsichtig hob der Homunkulus das Gesicht. »Rabe?«
»Höchstpersönlich!«, krächzte der Rabe.
Fliegenbein setzte sich mit einem Seufzer auf und strich sich das wirre Haar aus der Stirn. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und guckte den schwarzen Vogel vorwurfsvoll an.
»Dass du dich hierher traust«, sagte er. »Ich hätte nicht übel Lust, dir die Federn auszurupfen und mir ein Kissen daraus zu machen. Es ist, weiß der Teufel, nicht dein Verdienst, dass ich noch lebe!«
»Ja, ja«, krächzte der Rabe zerknirscht. »Du hast Recht. Aber was sollte ich tun? Mit Steinen haben sie nach mir geworfen. Und du rührtest dich nicht mehr. Also hab ich mir einen sicheren Baum gesucht und dich im Auge behalten.«
»Im Auge behalten, pah!« Fliegenbein stand auf. »Drei Nächte und eine halbe Weltreise lang hab ich dich nicht zu Gesicht bekommen. Komm, ich muss Wasser finden.« Ohne ein weiteres Wort machte er sich wieder auf. Der Rabe flatterte missmutig hinterher.
»Du hast gut reden«, schimpfte er. »Meinst du, es war leicht, diesem elenden Drachen zu folgen? Er fliegt dreimal schneller als der Wind.«
»Na und?« Fliegenbein spuckte verächtlich in den Staub. »Wozu hat dich unser Meister mit Zauberkörnern gefüttert, seit du hüpfen kannst? Und jetzt sei still. Ich habe Wichtigeres zu tun als mir dein Gekrächze anzuhören.«
Die alte Zisterne lag hinter einem flachen Hügel. Eine schmale steinerne Treppe führte hinab. Die Stufen waren zersprungen und wilde Blumen wuchsen in den Ritzen. Fliegenbein hüpfte hinunter. Das Wasser in dem alten Becken war trübe und mit Staub bedeckt. Der Homunkulus holte tief Luft und trat an den Rand.
»Erzähl ihm, dass ich nichts dafür konnte, hörst du?«, krächzte der Rabe und flatterte in einen kahlen Weihrauchbaum. Aber Fliegenbein beachtete ihn nicht. Er spuckte ins Wasser und in der Zisterne erschien aus tiefsten Tiefen ein Bild, der Kopf Nesselbrands. Kiesbart stand mit unglücklichem Gesicht zwischen den mächtigen Hörnern und staubte sie mit einem Wedel aus Pfauenfedern ab.
»Drei
Weitere Kostenlose Bücher